Im Bann des Mondes
angespannt, dass dies sogar trotz des hervorragenden Schnitts seines grauen Gehrocks deutlich zu erkennen war. Sie trat näher, tat dies aber so vorsichtig, als ginge es darum, einen streunenden Hund nicht zu verscheuchen. Die Haut über seinen Knöcheln straffte sich, aber er wich nicht vor ihr zurück.
Er besaß schön geformte Hände, die zwar elegant, aber doch etwas rau und so viel größer als ihre waren. Sie hatten sie gehalten und sich dabei wohlgefühlt. Aber sie hatten sie auch gegen ihren Willen festgehalten. Bei der Erinnerung daran zog sich ihre Brust instinktiv vor Furcht zusammen. Und diese Empfindung war so stark, dass sie eben noch zusammengezuckt war, als er versucht hatte, sie zu berühren. Trotzdem hatte sie ihn nicht belogen … sie kannte den Unterschied zwischen Männern, die Schmerz zufügten, weil sie es konnten, und jenen, die einen Fehler gemacht hatten. Sie hatte auch viele Fehler in ihrem Leben begangen. Seit sie nicht mehr mit ihren Schwestern zusammenlebte, hatte keiner ihr mehr ihre Schnitzer verziehen. Northrup hatte sie verziehen, aber das musste sie ihm erst noch zeigen. Daisy schaute in Northrups verschlossenes Gesicht und wusste, dass sie die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, jetzt überwinden musste, sonst würde sie nur noch größer werden.
Er schob den Kiefer vor, als wollte er ihr damit sagen, dass er einfach wartete, bis sie wieder ging. Sie hätte über seine Sturheit fast gelächelt. Ihr Rock blähte sich zu einer grünen Wolke, als sie sich neben ihn kniete.
Als sie die Arme hob, atmete er zischend ein und wich zurück. »Was tust du da?«
»Dir Krawatte und Kragen abnehmen.«
Unter gesenkten Wimpern warf er ihr einen Blick zu, in dem Neugier und Unsicherheit miteinander rangen. »Warum?«
»Das wirst du schon sehen.«
Er zögerte nur einen Moment, dann hob er das Kinn, um ihr den Zugriff zu erlauben. Hätte sie sich vorher alles genau überlegt, hätte sie ihn gebeten, das für sie zu erledigen, denn Daisy stellte fest, dass sie zwischen seinen Beinen knien musste, um an seine Krawatte zu kommen. Seine Wärme umhüllte sie von allen Seiten, als sie die zitternden Hände danach ausstreckte. Es war unvermeidlich, ihn dabei zu berühren, und ihre Knöchel strichen über die raue Haut seines Halses, wo der Bart bereits wieder nachwuchs. Einen Moment lang schien es ihr unerträglich intim, ihm wie eine Ehefrau behilflich zu sein. Obwohl er weiter ihren Blick mied, verriet die Steifheit seines Körpers und sein rauer Atem bei jedem ihrer Handgriffe, dass er sich ihrer sehr wohl bewusst war.
Er war zu nah, sein warmer Atem strich über ihre Wangen. Würde sie ihren Kopf so gesenkt halten, hätte ihr Mund längst auf seinem gelegen. Und es wäre schön, so wunderschön. Sie könnte wieder von ihm kosten, ihn so langsam und innig erforschen, wie sie es sich wünschte, bis sie beide atemlos waren. Wärme breitete sich von ihren Brüsten hoch zum Hals aus, und das Zittern ihrer Hände verstärkte sich. Sie merkte, wie er schluckte und etwas näher rückte. Sie brauchte nur nach oben zu schauen, und es würde passieren. Sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Krawatte und zupfte immer wieder an dem Knoten, bis er schließlich aufging. Die Seide raschelte leise, als sie die Krawatte herauszog, und seine Anspannung schien sich noch weiter zu verstärken.
Sie legte Krawatte und Kragen beiseite, ehe sie hochkam. »Und jetzt die Jacke.«
Er beugte den Kopf, als er aus dem Gehrock schlüpfte und ihn zur Seite legte. Auf etwas wackeligen Beinen trat Daisy hinter ihn und räusperte sich. »Als ich noch zu Hause wohnte, gab es Tage, an denen mein Vater heimkam und genauso erschöpft war wie du jetzt.« Obwohl sie ganz leise sprach, hallte der Klang ihrer Stimme durch die angespannte Stille. »An manchen Abenden bat er mich dann, ihm die Schultern zu massieren.« Sie schluckte und legte die Hände leicht auf Northrups warme Schultern. Sie spürte, wie er zusammenzuckte. »Darf ich?«
Seine Muskeln wurden womöglich noch härter und verwandelten Sehnen, die sich eben noch wie Hanfseile angefühlt hatten, in Stahlbänder. Er holte tief Luft und hielt den Atem dann kurz an, während sie spürte, wie ein heftiges Beben durch seinen Körper ging. Dann nickte er, als hätte er die Fähigkeit verloren zu sprechen. Beklommen begann sie, die unnachgiebigen Muskeln zu massieren. Dabei bohrten sich ihre Daumen immer wieder in die kleinen Senken zu beiden Seiten seiner
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