Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
ernst. »Es tut mir leid«, sagte er. »In den letzten Tagen ließ die Macht nach, die der Spürer über mich hatte. Ich glaube, das Amulett hat sie abgeschwächt, und ich konnte wieder selbst entscheiden, was ich tun wollte. Ich habe die Suchtrupps in die Irre geführt, aber sie werden unsere Spur wiederfinden. Du musst dich beeilen.«
»Und …« Sonjas Stimme gehorchte ihr nicht, sie räusperte sich und setzte neu an. »Und was ist mit dir?«
»Mach dir um mich keine Gedanken.«
»Doch! Vielleicht kann ich helfen, vielleicht gibt es irgendwelche Kräuter –« Kräuter, die gebrochene Knochen heilen konnten? Nicht einmal in Parva gab es so etwas. Sie brauchte ein Einhorn, das mit der Berührung seines Horns heilen konnte. Aber sie hatte Nachtfrost verloren. Und w ie um alles in der Welt konnte man einen Schatten heilen?
»Der Kristall«, wisperte er. »Den du gefunden hast. Dort … werde ich sein.«
Sonja verstand gar nichts. »Wie – was – in dem Zelt?«
Ein geisterhaftes Lächeln huschte über sein Elfengesicht. »Im Kristall. Dort … sind wir alle. Du trägst ein ganzes Volk in deiner Hosentasche spazieren, Seelen…tauscherin.« Er lachte, hustete wieder, und ein dünner Blutfaden lief aus seinem Mund. »Geh jetzt«, wisperte er. »Warne die Elarim. Du findest sie ein Stück nördlich von hier, an einer Quelle. Du kannst sie nicht verfehlen. Beeil dich – die Suchtrupps sind nur zwei Tage hinter uns.«
»Ich lasse dich nicht allein«, sagte sie, auch wenn ihre Hände jetzt eiskalt geworden waren.
»Geh schon«, sagte er und lächelte wieder, aber seine Augen blickten an ihr vorbei. »Ich werde nicht allein sein. Ich bin jetzt frei.« Sein Blick wurde starr, und unter ihren Händen löste sich sein Körper in reines Licht auf und verschwand. Nur sein Umhang blieb zurück – als ein letztes Geschenk.
Eine ganze Weile saß Sonja nur da und konnte es nicht glauben. Schatten und Licht, Verrat und Verlust, und alles viel zu schnell. Sie hatte glauben wollen, dass Haelfas ihr aus Freundlichkeit half. Stattdessen hatte er eine ganze Horde Suchtrupps hinter ihnen hergezogen. Sie hatten von Anfang an gewusst, dass er Sonja bei sich hatte. Und jetzt waren sie nur noch zwei Tage hinter ihr und suchten nach ihr, damit sie sie zu den Elarim und Tesca führte.
Und Haelfas war jetzt in ihrem Kristall, den sie schon fast vergessen hatte? Sie zog ihn aus der Tasche und schaute hinein, aber sie konnte keine Schatten darin erkennen, n ur Lichtfunken, als die Sonnenstrahlen sich an den Kanten brachen. Am liebsten hätte sie den Stein weggeworfen.
Aber dann dachte sie daran, dass der Spürer Haelfas zu seinem Verrat gezwungen hatte. Und am Ende war er ihm entkommen. Ich habe sie in die Irre geführt … Du findest deine Freunde ein Stück nördlich von hier, an einer Quelle.
Wenn das stimmte, konnte sie sie vielleicht wirklich noch warnen. Und dann war der Verrat vielleicht nicht ganz so schlimm. Sie stand auf, schob den Stein wieder in die Hosentasche, legte sich den Umhang um und machte sich auf den Weg nach Norden. Die Tränen wischte sie ab.
Die folgende Nacht war die einsamste, die Sonja je verbracht hatte. Den ganzen Tag über war sie zwischen dem Waldrand und den Bergen nach Norden gewandert, und wann immer sie eine Pause einlegen wollte, zwang sie sich, weiterzugehen. Erst am Abend kletterte sie ein Stück hinauf in die Berge und suchte sich eine versteckte, windgeschützte Mulde, in der sie schlafen konnte. Sie wickelte sich in den Umhang und rollte sich zusammen. An Hunger und Durst war sie mittlerweile so sehr gewöhnt, dass sie kaum mehr darüber nachdachte. Eine Weile schaute sie nach oben in den fremden Sternenhimmel. Haelfas hatte ihr Geschichten über die Sterne erzählt … sie vergrub ihre Nase in den Umhang und fragte sich, wieso ein Schatten aussehen, reden, essen, schlafen, bluten und riechen konnte wie ein Mensch und doch in seinem Inneren nur Dunkelheit hatte. Sie würde Ganna fragen. Sie war ganz sicher, dass Haelfas ihr am Schluss die Wahrheit gesagt hatte – aber vielleicht hatte er ihr noch ein paar Kleinigkeiten verschwiegen.
Blödmann, dachte sie und weinte sich in den Schlaf.
D as Geräusch von Hufen auf Geröll ganz in der Nähe weckte sie auf. Der Suchtrupp! Einen Moment lang lag sie wie erstarrt da, die Augen noch geschlossen, und ihr Herz klopfte bis zum Hals. Dann schlug sie die Augen auf, machte sich in ihrer Mulde so klein wie möglich und tastete nach ihrem Messer. Es war
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