Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
Zeltwände hielten den Wind ab, und in der Mitte brannte ein Feuer, sodass Sonja sich nach acht Tagen und Nächten unter freiem Himmel plötzlich wie in der Sauna fühlte. Es war viel zu heiß! Und zu eng! Aber die anderen schienen es ganz angenehm zu finden. Einige Leute saßen um das Feuer, an die sie sich erinnerte; es waren die Jeravi, die Anführer der einzelnen Stämme der Elarim. Besonders an einen erinnerte sie sich gut: Marus, der bei ihrem ersten Treffen behauptet hatte, sie bringe Unglück. Dieses finstere Gesicht würde sie so schnell n icht vergessen. Aber auch Elri und Lorin waren mit hereingekommen und zogen sie und Melanie zwischen sich auf eine dicke geflochtene Matte. Ganna setzte sich ihnen gegenüber und schaute sie lange und aufmerksam an. Sie schwieg so lange, dass Melanie unruhig wurde. Sonja fand das Schweigen eher angenehm, aber der klare, durchdringende Blick machte ihr ein wenig Angst.
Endlich nickte Ganna, als sei ihr durch das Betrachten der Mädchengesichter etwas klar geworden. »Wir alle sind durch eine dunkle Zeit gegangen«, sagte sie. »Als die Brücke zerbrach, zerbrach auch unsere Hoffnung. Was ist geschehen, Sonja?«
Sonja wollte sich nicht an diesen Tag erinnern, aber sie wusste, dass sie sich nicht darum drücken konnte. Also erzählte sie von der Schlucht, dem Nebel, den Ziegenmenschen, dem Heer und endlich auch von dem Dämon. Alle Anwesenden hörten ihr schweigend zu. Das Schweigen veränderte sich, als sie erzählte, wie sie ohne Nachtfrost in dem goldblühenden Tal aufgewacht und Haelfas begegnet war. Sie erzählte von den Wurzlern und dem Flussgeist und der langen Wanderung durch die Berge. Aber etwas ließ sie aus: mit keinem Wort erwähnte sie den Kristall in ihrer Hosentasche. Und sie sagte auch nicht, wie Haelfas gestorben war – nur, dass ein Drachenvogel ihn in die Tiefe gerissen hatte. Sie wusste selbst nicht, warum sie das verschwieg. Vielleicht, weil sie die Erinnerung an den Schatten und das Licht mit niemandem teilen wollte.
Als sie fertig war, beugte Melanie sich ein wenig vor. »Du warst acht Tage lang mit diesem Typ unterwegs?«, fragte sie ungläubig. »Aber bei uns waren das gerade mal zwei Tage!«
»Ihr wisst doch, dass unsere Zeiten unterschiedlich ver l aufen«, sagte Ganna. »Melanie, was ist in eurer Welt geschehen? Wahrscheinlich werden wir die Hälfte nicht verstehen können, aber erzähle es bitte trotzdem.«
Im Gegensatz zu Sonja erzählte Melanie recht gern. Sie holte weit aus und beschrieb mit Feuereifer, was passiert war, nachdem Nachtfrost den Dämon mit letzter Kraft über die Nebelbrücke gezerrt hatte. Selbst den Kampf, den sie ja selber nicht vollständig gesehen hatte, konnte sie dank Bens und Philipps Erklärungen ausführlich wiedergeben. Aber auch sie sparte etwas aus. Sie hielt es absolut nicht für nötig, Sonja zu erzählen, dass Nachtfrost, Ben und Philipp so gut wie tot gewesen waren. In ihrer Erzählung wachte Nachtfrost auf, sobald der Dämon verschwunden war, und heilte alle Verletzungen, einfach so.
»Ich fasse es nicht«, sagte Sonja. »Die ›Devils‹ haben euch geholfen?«
»Ja – verrückt, oder? Aber auch nicht verrückter als alles andere. Jedenfalls hat Ben mich dann mit Nachtfrost und dem Buch hier herübergeschickt. Wir haben euch stundenlang gesucht und sind dann über euch gefallen.«
»Mit Nachtfrost? Aber du kannst doch nicht über die –«
»Bin ich auch nicht. Ich bin durch den Spiegel gegangen und habe die ganze Zeit so fest an Nachtfrost gedacht, dass ich mit der Nase gegen seine Schulter gestoßen bin, als ich wieder rauskam.«
»Und wo bist du herausgekommen?«, fragte Ganna. »Aus welchem Spiegel?«
»Hm, aus gar keinem«, antwortete Melanie. »Das heißt, schon – irgendwie. Da war so ein Teich. Aber Nachtfrost hat mich getrocknet, und dann hat er Beyash gerufen, und dann sind wir losgeritten.«
Die Leute regten sich und murmelten; es klang ungläubig. A uch Ganna wirkte überrascht, aber sie sagte nur: »Ich wusste nicht, dass es auch mit natürlichen Spiegeln geht. Was war das für ein Buch, von dem ihr gesprochen habt?«
»Moment, ich hole es.« Melanie sprang auf. »Es ist in Beyashs Satteltasche. Bin gleich wieder da!«
Sie lief hinaus und kam gleich darauf mit dem Buch wieder, das sie mit beiden Händen gegen die Brust drückte. Vorsichtig legte sie es vor Ganna auf den Boden und hockte sich wieder zu Elri, Lorin und Sonja.
»Ben sagte, du wüsstest vielleicht, was das für ein
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