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Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)

Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)

Titel: Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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und roch viel schärfer und vielfältiger, und sie sah ein Menschenkind unter ihren Pranken auf dem Boden liegen, ein dünnes, knochiges, haarloses Geschöpf, und sie hatte Hunger , sie fauchte und grollte und wollte frei sein, sie wollte weg aus dieser entsetzlichen Höhle, in der man sie seit endlosen Zeiten gefangen hielt, sie wollte töten und rennen und raus, raus, raus –
    – und genauso schnell war es wieder vorbei, und Sonja war wieder sie selbst, rollte sich zusammen und zitterte unkontrolliert am ganzen Körper. Und das Tier zog sich grollend und verwirrt zurück und beobachtete sie aus der Dunkelheit.
    Seelentauscherin , sagte Nachtfrost. Das ist deine Chance. Nutze sie.
    Aber wie? Sie konnte ja nicht einmal aufstehen. Jetzt, da s ie die Gefahr kannte, konnte sie ihr nicht noch einmal gegenübertreten.
    Eine Schattenkatze. Sie zweifelte keine Sekunde daran. Ein solches Tier hatte Lorin vor Jahren zum Krüppel gemacht und ihn beinahe getötet. Vielleicht war es sogar dasselbe Tier. Bisher hatte Sonja geglaubt, dass eine Schattenkatze ungefähr so etwas wie eine Wildkatze war – etwas größer als eine normale Hauskatze, nur eben aggressiver. Aber dieses Ungeheuer war mindestens so groß wie einer der Tesca, die Sonja in ihrer Wolfsform bis zur Schulter reichten!
    Plötzlich erstarrte sie. Der Raubtiergeruch war wieder über ihr. Etwas schnüffelte, Schnurrhaare streiften ihre Wange, und sie spürte einen leichten Atem auf ihrer Haut. Der Seelentausch wirkte noch nach und verriet ihr, dass die Neugier der Schattenkatze im Moment stärker war als Wut und Hunger. Aber man konnte sich nicht darauf verlassen, dass es so blieb. Sonja kniff die Augen zu und stellte sich tot.
    Geh weg, dachte sie verzweifelt immer wieder. Hier ist nichts Interessantes, und ich schmecke sowieso miserabel. Geh weg!
    Die Schattenkatze streckte eine Pfote aus und stupste Sonja an. Bei einer normalen Katze wäre es nur eine leichte Berührung gewesen. Jetzt aber erfuhr Sonja, wie sich eine Maus fühlen musste. Sie wurde herumgeworfen und landete auf dem Rücken. Es tat weh, und unwillkürlich stieß sie einen scharfen Schrei aus. »Au!«
    Lautlos zog sich die Katze wieder zurück.
    Sonja erinnerte sich an alles, was sie jemals über Katzen gehört hatte. Sie spielten mit ihrer Beute, warfen sie herum, schlugen nach ihr, ließen sie beinahe entkommen u nd fingen sie dann wieder ein, bis Hunger und Jagdtrieb schließlich zu stark wurden und die Beute totgebissen wurde. Möglich, dass parvanische Schattenkatzen andere Instinkte hatten als deutsche Hauskatzen, aber sie konnte sich nicht darauf verlassen. Sie musste aufstehen!
    Du schaffst das , sagte Nachtfrost aufmunternd, und es kam ihr beinahe so vor, als ob sie ihn wiehern hörte.
    Sie öffnete die Augen, rollte sich herum und stand mit wackeligen Beinen auf, zitternd vor Kälte und Angst. Nach ihrem Messer suchte sie erst gar nicht – gegen dieses Monster konnte sie nicht kämpfen. Und eigentlich wollte sie es auch gar nicht. Die Schattenkatze tat nur, was sie tun musste, um am Leben zu bleiben. Und Sonja erinnerte sich noch zu gut an das wütende, verzweifelte Verlangen des Tieres nach Freiheit. Wie lange war es wohl schon gefangen? Konnte sie es nicht irgendwie befreien?
    Sie schaute nach oben. Ganz schwach konnte sie die schwarzen Gitterstäbe vor einem kaum helleren Hintergrund sehen. Die Wände der Grube waren schroffer Stein voller kleiner Vorsprünge und Nischen, aber sie konnte nicht gut genug klettern, um da hochzukommen. Und solange sie den Mechanismus nicht kannte, der das Gitter öffnete, hatte sie dort oben sowieso keine Chance.
    Sie schaute sich um und merkte überrascht, dass sie nicht mehr in undurchdringlicher Finsternis stand. Vielleicht hatte sie sich einfach an die Dunkelheit gewöhnt; vielleicht war es aber auch noch immer eine Nachwirkung des Seelentausches. Katzen konnten in der Dunkelheit viel besser sehen als Menschen.
    Die Grube war tatsächlich fast so groß wie das Wohnzimmer zu Hause. Das Wasserloch unter dem Gitter war etwas größer als drei Badewannen nebeneinander, und sie frös t elte bei der Vorstellung, was passiert wäre, wenn sie aus fünf Metern Höhe auf den Steinboden gefallen wäre. Die Schattenkatze hockte als großer, formloser Fellberg auf einem Vorsprung fünf Meter entfernt, und Sonja bildete sich ein, einen Schimmer der Katzenaugen zu erkennen, die ihr bei jeder Bewegung folgten. Vorsichtig ging sie los, tastete sich an der Felswand

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