Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
beiden Mädchen machten sich eifrig an die Arbeit.
Ganz ungezwungen bewegten sie sich auf Gut Stettenbach allerdings nicht. Zu lebendig war die Erinnerung an Asarié, die mit ihrem Hund in dem großen rot-weißen Haus gewohnt hatte und jetzt in einen Baum verzaubert in der Zerbrochenen Stadt stand, mit dem Erdgnom Sluh als einzigem lebendigen Wesen um sich. Sonja war dabei gewesen, als Nachtfrost die Zauberin für ihren Verrat bestraft hatte, und eigentlich wollte sie nicht darüber nachdenken. Aber es war schwierig, zu dem großen Haus hinzusehen und nicht zu erwarten, dass Asarié herauskam. Ben kümmerte sich jetzt um den Hund, hatte das Haus abgeschlossen und wohnte weiterhin in seiner Kammer im Stall, als ob er damit rechnete, dass die Zauberin irgendwann zurückkam. Er hatte auch die beiden Alraunen eingeschlossen, die Asarié in Doppelgängerinnen von Sonja und Melanie verzaubert hatte; sie waren jetzt wieder ganz gewöhnliche Wurzeln. Und er hatte den Spiegel eingeschlossen, durch den Asarié und Melanie ins Geisterreich und von dort aus nach Parva gereist waren. Wahrscheinlich gab es noch eine ganze Menge anderer seltsamer Zauberdinge in diesem Gutshaus, und Sonja war froh, dass Ben sie von ihr fernhielt. All die seltsamen und gefährlichen Ereignisse waren erst drei Wochen her, und für eine Weile wollte sie weder Seelentauscherin noch Trägerin des Amulettes sein, sondern nur Sonja, die ihren Lieblingspferden die Hufe auskratzte, Mähnen und Schweife bürstete, Stroh und Pferdeäpfel auf Schubkarren schaufelte und gelegentlich eine Möhre aus dem Eimer im Stall klaute, um sie einem der Pferde zu geben.
S ie wusch das Mundstück der Trense ab, wischte die Lederriemen sauber und hängte das Zaumzeug an den Haken unter dem Namen »Nero«. Kurze Zeit später war auch Melanie mit dem Sattel fertig. Ben kochte ihnen einen heißen Kakao, und sie hockten sich zu dritt in die winzige Küche neben seiner Schlafkammer über dem Stutenstall.
Der Raum war kaum größer als die Sattelkammer und hatte ein nicht sehr hohes, aber dafür über die ganze Länge der Wand verlaufendes Fenster, durch das man direkt auf die Boxen der Pferde hinunterschauen konnte. Es gab vier Pferdebilder an den Wänden und genau fünf Möbelstücke: ein Holzbett, einen sauber geschrubbten braunen Esstisch, einen Stuhl, einen mindestens fünfzig Jahre alten Kleiderschrank aus dunklem Holz und ein altes Regal mit Büchern über Pferde. Am liebsten hätten Sonja und Melanie alle Bücher durchgeblättert. Stattdessen überlegten sie, wie sie ihre Eltern überreden konnten, dem Plan zuzustimmen.
»Es ist mir ganz ernst damit«, sagte Ben. »Ich brauche wirklich Hilfe. Eigentlich müssten hier auf dem Hof mindestens drei Leute angestellt sein, um die Pferde vernünftig zu versorgen und zu reiten. Ich schaffe es gerade so, wenn ich morgens um fünf aufstehe, nachts um zwölf schlafen gehe und mich zwischendurch rund um die Uhr um alles kümmere. Ein bisschen Entlastung wäre schon ganz gut.«
»Meinen Vater kann ich überreden«, sagte Melanie zuversichtlich. »Am besten heule ich ordentlich rum, dann klappt das schon.«
»Und deine Mutter?«
»Da muss ich mir irgendwas Logisches überlegen.«
»Bei uns darf es nur nichts kosten«, meinte Sonja.
» Dann drücke ich uns allen die Daumen, dass es klappt. Vielleicht lassen sie euch auch mal hier übernachten …«
»Das wäre toll!«, rief Sonja. »Meine Eltern sind bestimmt einverstanden!«
»Warten wir es ab«, meinte Ben trocken. »Jedenfalls bringe ich euch heute Abend nach Hause, und dann versuchen wir es.«
Das Geräusch von Hufen auf dem Stallgang ließ sie alle drei hochschrecken. Ben warf einen Blick durch das Fenster in den Stall und grinste breit. »Seht euch das an. Da hat sich einer aber wirklich Mühe gegeben, wie ein Schwein auszusehen, damit sich das Putzen auch lohnt.«
Sie drängten sich neben ihn und schauten hinunter. Ein Pferd – oder zumindest ein Tier, das ungefähr die Form und Größe eines Pferdes hatte – spazierte in aller Ruhe einmal durch den Stall und wieder hinaus. Unter der dicken Schlammschicht, die Mähne, Schweif und Fell restlos verklebte, war ein Schimmer von Schwarz zu erahnen. Sonja und Melanie wechselten einen Blick, grinsten beide, und dann liefen sie los, um sich mit Striegeln, Bürsten, Hufkratzern und sehr vielen Eimern Wasser zu bewaffnen.
»Oh nein«, sagte Sonjas Mutter entschieden. »Ich bin absolut dagegen. Sonja hat genug für die Schule
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