Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
die Erinnerung ließ seine Augen im Schein des Feuers hart werden.
»Niemals in all den Jahren von König Bricens Regierung – oder der seines Vaters oder seines Großvaters – haben die Soldaten Margolans Frauen aus unseren Dörfern verschleppt für ihren eigenen Gebrauch«, sagte er mit vor Zorn rauer Stimme. »Nicht ein Mal wurden unsere Häuser und Ernten niedergebrannt, unsere Tiere geschlachtet, unsere Männer gehängt. Und niemals sahen wir die dunklen Geschöpfe, die jetzt durch die Wälder streifen, was sie auch sein mögen, hol sie die Göttin!«, schloss er erschaudernd.
»Dunkle Geschöpfe?«, fragte Kiara und fröstelte plötzlich selbst. Unwillkürlich tastete ihre Hand nach dem Dolch, den die Schwesternschaft ihr gegeben hatte. Er wird die Untoten abwenden , hatte die Schwester gesagt. In den Händen einer Magierin kann er die Seele eines Unsterblichen zerstören.
»Aye«, bestätigte Tadrie. »Ich habe sie gehört, von Weitem einen Blick auf sie erhascht, doch keiner, der sie aus der Nähe gesehen hat, hat anschließend lange genug gelebt, um davon zu berichten. Einmal habe ich ein Stück von einem gefunden«, berichtete er schaudernd, »allerdings kann ich mir gar nicht vorstellen, was eins dieser Geschöpfe umbringen könnte«, meinte er kopfschüttelnd. »Oh, die Wachen haben uns erzählt, es wär der Vayash Moru. Ist es aber nicht.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«, wollte Kiara wissen und beugte sich vor, als Lessels Frau sich ihr zögernd mit einem dampfenden Krug verdünnten Biers näherte und ihn ihr mit einem linkischen Knicks in die Hand drückte, bevor sie wieder die Flucht ergriff.
Sowohl Tadrie als auch sein Bruder schüttelten wieder den Kopf. »Weil, in Margolan, da haben wir die Vayash Moru nie gefürchtet«, erklärte Lessel, und Kiara versuchte sich ihre Verwunderung darüber, wie sachlich die beiden Männer über die Untoten unter ihnen sprachen, nicht anmerken zu lassen. »Oh, wir haben Geschichten von anderen Gegenden gehört, wo sie Jagd auf Leute machen, aber in all den Jahren, die wo mein Vater gelebt hat und sein Vater und dem sein Vater davor, haben sie uns nie ein Leid zugefügt. Tatsache ist«, sagte er, »dass sie zu wissen scheinen, wer die Guten und wer die Bösen sind, und wenn sie sich einen nehmen, dann ist es einer, dem sein Kopf wegen Dieberei oder Schlimmerem sowieso schon in der Schlinge steckt. Die meiste Zeit, glaub ich, leben sie von Tieren, aber wir kriegen sie natürlich nur selten zu Gesicht.« Er lächelte schwach. »Sie verkehren nicht mit unsereins, wenn sie nicht unbedingt müssen.«
»Ihr seid schon mal einem begegnet?«
»Ich«, sagte Tadrie mit einem ernsten Nicken. »Sie sind mehr von der einsamen Sorte. Der, dem ich begegnet bin, hat mir keinen Grund gegeben, mich zu fürchten. Vielleicht hatte er auch nur gerade keinen Hunger«, gluckste er, und Lessel stimmte in sein Lachen ein. Tadrie wurde wieder ernst. »Aber ihre Art hat es gerade jetzt am schwersten in Margolan«, fuhr er fort. »Ihnen wird die Schuld dafür gegeben, was die Soldaten tun. Dabei müsste jedem, der auch nur einen Funken Verstand hat, klar sein, dass das alles Lügen sind, aber manch einer, der schon immer Angst vor den Vayash Moru gehabt hat, sieht jetzt seine Chance gekommen, es ihnen heimzuzahlen, nehm ich an. Soldaten räuchern sie aus, pfählen sie oder zerren sie ans Tageslicht, wo sie elendiglich verbrennen.« Er seufzte. »Die Soldaten nehmen es nicht sehr genau, wenn sie auf der Jagd sind, wenn Ihr wisst, was ich meine. Sind auch schon viele ganz normale Leute verbrannt worden, nur auf bloßes Gerede hin.« Er schüttelte noch einmal den Kopf. »’s ist schlimm, gnädiges Fräulein.«
Kiara nippte nachdenklich an ihrem Getränk. Wenn das, was er sagte, wahr war, dachte sie, dann waren zwei Entwicklungen wahrscheinlich: Die Vayash Moru erhoben sich gegen Jared Drayke und übten gezielte Vergeltung gegen ihn, oder sie entsagten dem Frieden mit ihren sterblichen Nachbarn und schlugen zurück. Es überlief sie kalt. So oder so, Tadrie hatte recht: Es war eine schlechte Zeit, um sich in Margolan aufzuhalten.
In dem Moment beugte Lessel sich vor und berührte sie sanft an der Schulter, gerade oberhalb ihrer Wunde. »Ihr müsst einen Heiler aufsuchen«, drängte er sie.
»Es gibt einen Heiler, der ins Lager kommt«, sagte Tadrie und stand auf. »Woher, weiß ich nicht. Er ist keiner von uns. Kommt, wir wollen ihn suchen!«
Kiara erhob sich und folgte den
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