Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
hinten.
Vahanian zuckte die Schulter. »Freunde und Geliebte setzen sich nur Gefahren aus und versuchen das Schicksal«, entgegnete er. »Wenn du lange genug auf Achse warst, lernst du das«, sagte er, wandte sich ab und ging zu dem eingestürzten Zelt zurück, wo die Arbeiter schon zusammenströmten, um den Bereich für die abendlichen Massen bereit zu machen.
»Lassen wir unserem Freund das Vergnügen, einen sauertöpfischen Kommentar für alles zu haben«, meinte Soterius finster und sah zu, wie Vahanian wegging. »Ich habe vorher noch nie viel Zeit mit einem Söldner zugebracht, und ich schätze, mir ist auch nicht viel entgangen, wenn sie alle so sind wie er.«
»Nur diejenigen, die sehr lang am Leben bleiben, Jungchen«, bemerkte Harrtuck und schloss von hinten zu ihnen auf. »Wenn du so oft wie Jonmarc in der Klemme gesteckt und es überlebt hast, dann wirst du selbst Ecken und Kanten haben, wette ich.«
»Für meinen Geschmack können wir jedenfalls nicht früh genug in Dhasson ankommen«, beendete Soterius das Thema.
*
In dieser Nacht kamen die Träume. Tris hörte Kait so deutlich seinen Namen rufen, dass er damit rechnete, sie in seinem Zelt stehen zu sehen. Wieder rief sie ihn, diesmal aus größerer Entfernung und so klagend, dass es ihm im Herzen wehtat.
»Kait, bist du hier?«, fragte er ruhig, unsicher, ob er wachte oder schlief.
»Hilf mir, Tris!«, rief Kaits Stimme, gedämpft und weit weg. Tris konzentrierte sich und ließ sich in eine leichte Trance fallen. Kaits Geist blieb in weiter Ferne.
»Kait, wo bist du?«, rief er nach ihr. Nichts deutete darauf hin, dass sie ihn hörte. Ihre Stimme wurde verzweifelter, ihr Bitten gequälter, doch so sehr er sich bemühte, Tris konnte weder ihren Geist zu sich bringen noch seinen Geist sich zu dem ihren hinziehen lassen. Es war, als ob ein dickes Fenster sie trennte, am Rande eines Abgrunds, sodass er sie zwar sehen konnte, aber nichts, was in seiner Macht stand, das durchsichtige Gefängnis zerbrechen oder die Kluft zwischen ihnen überbrücken konnte.
»Hilf mir, Tris! Hilf mir!«
Schweißbedeckt wachte Tris auf. Sein Herz raste, und als er eine Hand hob, um sich eine durchnässte Haarsträhne aus den Augen zu streichen, sah er, dass seine Finger zitterten. Ich werde wahnsinnig , dachte er. Er zwang sich, tief durchzuatmen und zu zittern aufzuhören, und versuchte die zentrierenden Übungen, die seine Großmutter ihn gelehrt hatte. Er versagte kläglich.
Tris schlug die Hände vors Gesicht und stand so kurz davor in Tränen auszubrechen, wie er es seit jener Nacht der Morde nicht mehr getan hatte. Ich komme dich holen, Kait , gelobte er. Lebendig oder tot, ich komme dich holen. Ich schaffe dich dort raus, das schwöre ich!
»Geht es dir gut?«, ertönte eine Stimme vor dem Zelt. Soterius steckte den Kopf durch die Klappe.
»Nur ein schlechter Traum«, sagte Tris und hoffte, dass seine Stimme sich stärker anhörte, als er sich fühlte.
»Ich schätze, davon stehen dir ein paar durchaus zu«, räumte Soterius ein. »Ich selbst träume immer nur von all den hübschen Mädchen zu Haus. Hab eine versetzt, weißt du, in der Nacht, als wir fort sind.«
Tris schaute auf; er konnte das Gesicht seines Freundes gegen das Mondlicht kaum erkennen. »Es tut mir leid«, sagte er leise. »Ich habe euch allen alles verdorben.«
Soterius rang sich ein müdes Lächeln ab. »Ist ein bisschen spät, um es sich anders zu überlegen«, witzelte er. »Außerdem hast du uns ja nicht darum gebeten mitzukommen – das war unsere eigene Entscheidung.« Er zuckte die Schultern. »Ich habe niemand Besonderes zurückgelassen, nur eine Reihe gebrochener Herzen.« Er grinste. »Harrtuck hat nie etwas von einer Familie erwähnt; ich glaube, die Kaserne war sein Zuhause. Carroway hatte ein Auge auf diese hübsche Flötenspielerin geworfen, aber ich denke nicht, dass sie es wusste«, fügte er hinzu. »Lass dich also wegen uns nicht um den Schlaf bringen. Ich betrachte es als eine Chance, etwas von der Welt zu sehen.«
Tris spannte einen schmerzenden Muskel in seinem Rücken an. »Die Welt zu bewegen, meinst du wohl«, sagte er. »Mir tut alles so weh vom Zelteaufschlagen, dass ich wahrscheinlich sowieso kein Auge zumachen könnte.«
»Ich weiß, was du meinst«, entgegnete Soterius. »Und was nicht vom Zeltaufbau wehtut, schmerzt von Vahanians verdammtem Training. Ich war nicht einmal so wund, als ich der Wache beigetreten bin!« Er machte eine Pause. »Kommst du
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