Im Bann des roten Mondes
ihm.
Er wandte sich im Sattel um und schaute nach hinten. Es war eine gewaltige Karawane, eine stolze Karawane. Drei Farben beherrschten das Heer der Krieger: das Blau ihrer Kleidung, das Rot ihrer Schwerter und das Weiß ihrer Meharis. Das Herz schlug ihm höher bei diesem Anblick. Und es waren beileibe nicht alle Stämme, die hinter ihm herritten. Sie hatten sich wohlweislich geteilt und einen Treffpunkt in der Nähe von Ouargla vereinbart. Und nicht nur die Krieger befanden sich auf der Reise. Auch die Frauen folgten ihnen, die Sklaven, die Herden, wenn auch in einem großen Abstand. So war die Versorgung des Heeres gesichert.
Die Krieger selbst hielten einen sicheren Abstand zur Garnison. Zum einen befanden sie sich außerhalb ihres angestammten Gebietes und mussten sich auch vor den Berbern in Acht nehmen, zum anderen wollten sie taktisch klug vorgehen, so wie es Arkani ihnen vorgeschlagen hatte. Wenngleich sein Plan immer wieder auf die Skepsis der jeweiligen Anführer stieß, so würde doch keiner dagegen verstoßen.
Trotz des mannhaften Mutes der Krieger – auch bei den Rezzous wurde mit allen Mitteln gekämpft, nicht nur offen mit dem Schwert. Ein Teil des Kriegserfolges hing auch immer mit der List zusammen. Und auf die schwor Arkani. War man nicht mit Waffen überlegen, dann musste man es mit der Intelligenz sein. Die Schlauheit des Wüstenfuchses siegte über die Giftigkeit der Sandviper.
Zunächst wurden einzelne Kundschafter ausgesandt, die das Treiben rund um die Garnison beobachten sollten. Und das taten sie am besten, wenn sie sich als Berber verkleideten. Ein paar Maultiere, eine andere Tracht und schon fielen sie in dem regen Treiben in der Oase nicht auf. Einzig, dass sie ihr Gesicht nicht verschleiern konnten, mochte einigen von ihnen unangenehm sein. Die blaue Gesichtsfarbe, die den meisten Tuareg durch das Tragen der indigogefärbten Schleier inzwischen zu Eigen geworden war, wurde durch das Überschminken mit Puder aus Tonerde ausgeglichen. Einem schmutzigen Bauern schaute man ohnehin nicht gern ins Gesicht.
Kleinere Abteilungen der Tuareg spalteten sich ab, um die Patrouillen der Garnison auszuschalten. Hier übten die Krieger dieses Spiel mit der Beute. Der ersten Patrouille begegneten sie südwestlich der Oase. Es waren berittene Soldaten – auf Pferden! Arkani ließ sie beobachten. Kurz vor ihrer Umkehr schnitten sie ihnen den Rückweg ab. Zunächst versuchten die Soldaten, die drohende Mauer aus etwa zweihundert blauen Kriegern zu umgehen. Sie wussten, dass sie trotz moderner Waffen keine Chance gegen sie hatten. Dann versuchten die Franzosen einen Ausfallangriff. Über die Hälfte von ihnen kam dabei ums Leben. Die Tuareg hatten sie in ein enges Tal zwischen den Dünen gelockt, sodass sie in der Falle saßen. Die überlebenden Soldaten flüchteten weiter in die Wüste hinein. Doch Pferde waren weitaus weniger für die Wüste geschaffen als Dromedare. Und so brach ein Tier nach dem anderen zusammen, verdurstet, entkräftet. Nur wenig später folgten ihnen die Soldaten auf dem Leidensweg. Ein Finger der Hand war abgeschlagen.
Eine andere Abteilung der blauen Krieger rieb eine Fußpatrouille auf, die sich auf dem Marsch durch die Wüste befand. Seltsamerweise setzten sich diese Soldaten weitaus heftiger zur Wehr. Es gab auch auf Seiten der Tuareg Tote und Verletzte. Arkani bestand darauf, dass sie in die Lager zurückgebracht wurden. Es sollte keinen Hinweis darauf geben, wer die Männer waren, die die Patrouillen überfielen. Dass die Soldaten in der Lage wären, aus den Trittsiegeln der Meharis zu schließen, wer diese Reiter waren, schloss Arkani aus. So viel Verstand unterstellte er ihnen nicht.
Auch die Waffen nahmen sie den toten französischen Soldaten ab, selbst wenn sie sie nie benutzen würden.
Gedankenverloren hielt Arkani ein Gewehr in der Hand, als er abends am Feuer vor seinem Zelt saß, umgeben von den Befehlshabern der Krieger. Er erinnerte sich an Désirées Worte. Wenn er auch ein Gewehr besaß, dann war das Gleichgewicht der Kräfte wiederhergestellt. Ein verführerischer Gedanke. Warum nicht?
Er schob ihn schnell beiseite, ebenso den an Désirée. Im Augenblick durfte er sich nicht davon ablenken lassen, wenngleich sie eine ebenso große Rolle in seinem Plan spielte. Doch der Krieg gegen die Franzosen war die eine Sache, seine Liebe zu Désirée eine ganz andere. Er hatte sich die Hitzköpfigkeit abgewöhnt. Zum Mut gehörte auch Intelligenz, und die war in
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