Im Bann des roten Mondes
erstaunt an. »Nicht?«, fragte sie verwundert. »Aber ich nahm an ... also, auch wenn ich mich mit ihnen nicht richtig unterhalten konnte, so haben wir doch unsere Namen genannt. Und ich weiß, dass Sie Arkani heißen. Tedest sagte, Sie sind ...«, krampfhaft suchte sie nach dem Wort, »... ein takkamart .«
Arkani lachte auf. Es schien ihn äußerst zu belustigen.
Verwirrt und verärgert bemerkte Désirée die Hitze in ihrem Gesicht. »Leider ist mir Ihre Sprache nicht geläufig.«
» Takkamart heißt Ziegenkäse«, erklärte er. »Aber sicher meinst du das Wort amekkar . Das bedeutet ›älterer Bruder‹.«
Wenngleich sie wenig darüber erbaut war, dass Arkani sie auf diese Weise immer wieder foppte, so war sie doch gleichzeitig irgendwie erleichtert. Tedest war also seine Schwester! Vielleicht war Arkani gar nicht verheiratet?
Ärgerlich schob sie den Gedanken wieder beiseite. Was ging es sie an, ob Arkani verheiratet war. Von ihr aus hätte er einen ganzen Harem haben können. Désirée war verlobt mit Philippe, und sie befand sich auf der Suche nach ihrem verschollenen Vater. Sie sollte endlich wieder zur Tagesordnung zurückkehren!
Betont gleichgültig wandte sie ihm das Gesicht zu. »Ich spreche verschiedene Sprachen, und ich beherrsche sogar das ausgestorbene Persisch. Warum sollte ich nicht auch Ihre Sprache lernen?«
An seinen Augen konnte sie erkennen, dass er lächelte. »Warum nicht?«, erwiderte er. »Unsere Sprache heißt Tamasheq. Und sie ist sehr klangvoll.«
»Vielleicht kann ich mir dann einige Fragen selbst beantworten«, sagte sie nachdenklich.
Er betrachtete sie aufmerksam. »Ich nehme an, dass du viele Fragen hast. Du beobachtest uns aber, als wären wir ein Ameisenvolk. Du stehst außerhalb. Deshalb wirst du das meiste ohnehin nicht verstehen.«
Da war sie wieder, diese Arroganz. Sie hob selbstbewusst das Gesicht. »Solange ich lebe, beschäftige ich mich mit der Archäologie und versuche zu verstehen, wie die ausgestorbenen Völker damals gelebt haben. Mein Vater ist eine Kapazität auf diesem Gebiet, und ich bin seine Tochter. Trauen Sie mir nicht zu, dass ich auch ein Volk verstehen kann, das es noch gibt?«
»Das es noch gibt«, wiederholte er langsam. »Es ist vielleicht deine Chance, unser Volk zu erleben, solange es noch lebt. Vielleicht wird es eines Tages nicht mehr leben, wenn die Fremden kommen und uns ihr Leben aufzwingen.«
Sie schaute ihn erschrocken an. »Erwarten Sie das?«
»Wir erwarten es alle. Aber wir werden uns nicht ergeben. Die Ihaggaren sind schon immer große Krieger gewesen.«
»Wer soll euch denn ein anderes Leben aufdrängen?«, wollte sie wissen.
»Alle, die nicht verstehen, warum wir so leben. Angefangen von den Franzosen.«
Désirée schüttelte energisch den Kopf. »Das will ich nicht glauben. Was sollten sie für ein Interesse daran haben?«
»Warum sind die Franzosen dann in Algerien?«, gab er die Frage zurück.
»Algerien ist französische Kolonie. Wir bringen Fortschritt, Technik, Zivilisation.«
»Das, was ihr unter Fortschritt und Zivilisation versteht«, entgegnete er ungehalten. »Aber von unserem Leben versteht ihr nichts!«
Einige Augenblicke schwieg Désirée. »Dann lassen Sie mich es verstehen«, sagte sie leise.
Arkani erwiderte ihren Blick lange. Schließlich erhob er sich. »Um uns und unser Leben zu verstehen, muss man erst einmal die Wüste verstehen.« Er blieb vor ihr stehen und streckte ihr seine Hand entgegen. »Kannst du laufen?«
Sie nickte und nahm die angebotene Hand an. Er zog sie hoch, und sie spürte dabei zufällig seinen Körper unter der Gandura. Für einen Moment stockte ihr Herzschlag. Verlegen trat sie einen Schritt zurück und strich sich das Haar aus dem Gesicht.
Arkani steckte den Kopf ins Zelt und sagte etwas zu den beiden Frauen. Tedest reichte ihm eine hübsch verzierte Ledertasche, die er sich über die Schulter warf.
»Komm«, forderte er Désirée auf. »Lass uns ein Stück in die Wüste gehen.«
Das Gehen fiel ihr doch noch etwas schwer, und Arkani ging langsam neben ihr her. Sie entfernten sich nicht weit vom Lager. Zwischen zwei Dünen blieb Arkani stehen und warf die Tasche in den Sand. Er suchte einige trockene Zweige zusammen und entzündete ein kleines Feuer. Dann setzte er sich nieder und forderte sie mit einer knappen Handbewegung auf, es ihm gleichzutun.
Obwohl es nur ein kurzer Spaziergang gewesen war, fühlte sich Désirée entkräftet. Arkani öffnete die Tasche und zog einen
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