Im Bann des roten Mondes
kleinen Lederbalg mit Wasser hervor, eine Eisenkanne und zwei Becher. Ein weiterer kleiner Beutel enthielt Teeblätter und Zucker.
Hingebungsvoll bereitete er den Tee zu und schien sich voll darauf zu konzentrieren. Désirée beobachtete ihn schweigend bei seiner Arbeit. Er füllte die grünen Teeblätter in die Kanne, goss Wasser darüber und ließ es gut zehn Minuten kochen. Dann gab er reichlich Zucker dazu, bis es schäumte.
» Essekor «, sagte er plötzlich. »Zucker.«
» Essekor «, wiederholte Désirée, wie sie es hinter dem Zelt der Frau gehört hatte, die die Kinder unterrichtete.
Er hielt den kleinen Lederbeutel hoch. » Arreg .«
Désirée wiederholte das Wort und prägte es sich gut ein.
Schwungvoll goss Arkani den Tee in die Becher. Es war, als wären sie ganz allein, zwei winzige, lebende Punkte in der unendlichen, lebensfeindlichen Wüste.
»Haben Sie niemals Angst, allein in der Wüste zu sein?«, wollte sie wissen.
»Ich habe keine Furcht vor der Wüste, aber sehr großen Respekt«, antwortete Arkani. Mit einer bedächtigen, würdevollen Geste reichte er ihr den Becher Tee. Dankbar nahm sie ihn mit beiden Händen entgegen. Dabei berührten sich ihre Finger ganz leicht. Trotzdem fühlte sie ein Flattern in ihrem Bauch wie von einem Schwarm auffliegender Vögel. Der König bediente seine Gefangene ...
Sie musste unwillkürlich lächeln. Dann senkte sie den Blick und konzentrierte sich auf den Tee. Er war sehr heiß und sehr stark. Trotzdem erfrischte sie der Minzgeschmack. Ihr fiel auf, dass Arkani sehr schöne, schmale Hände hatte, fast wie die einer Frau. Trotzdem konnte er damit sehr fest zupacken, das hatte sie schmerzhaft erfahren müssen. Sie hielt die Augen gesenkt, doch sie fühlte, wie er sie betrachtete.
»Ich habe auch keine Furcht vor der Wüste«, sagte Désirée. »Die Angst um meinen Vater ist stärker.«
»Wer sich von der Angst treiben lässt, begeht Fehler«, erwiderte Arkani sanft. »Und einen Fehler begeht man in der Wüste nur einmal, weil es für ein zweites Mal keine Chance gibt.«
Er nahm den anderen Becher und schob seinen Gesichtsschleier ein wenig beiseite, um trinken zu können. Diese Geste nahm Désirées ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Gespannt folgte sie seinen bedächtigen Bewegungen. Was der Schleier enthüllte, hätte sie beinahe in einen Ausruf des Entzückens ausbrechen lassen. Arkani war unglaublich schön! Sein Gesicht war länglich und schmal, seine Wangen glatt rasiert, was Désirée besonders verwunderte. War sie doch überzeugt, dass sich unter dem Tuch bärtige Monster verbargen, so wie viele Araber schwarze Bärte trugen. Seine lange Nase war sehr schmal mit engen Nasenflügeln. Auch das verwunderte sie, hatte sie doch einmal einer Vorlesung an der Akademie beigewohnt, wo einer der Ethnologen erklärte, dass alle Völker in den heißen Klimazonen breite Nasen mit riesigen Nasenlöchern besäßen, um besser Luft zu bekommen. Seine Lippen waren voll und so vollendet geschwungen wie seine Augen, das Kinn eher eckig und energisch. Was Désirée jedoch am meisten verblüffte, war die Farbe seiner Haut. Sie war blau!
Arkani bemerkte Désirées Blick und hob die Augen. So schnell konnte sie seinem Blick nicht ausweichen. Sie wusste sehr wohl, dass es unschicklich war, einen Mann so anzustarren, egal in welchem Kulturkreis sie sich gerade befand. Und sie errötete heftig. Das schien Arkani zu erheitern, und er lächelte. Dabei ließ er zwei Reihen prachtvoller weißer Zähne sehen. Ihr verschlug es fast den Atem. Dieses Gesicht war so schön, so voller Leben und voller Stolz! Es besaß den aristokratischen Ausdruck eines freien Falken, dem der Himmel und die Welt gehörten. Und genau so aufmerksam und scharf blickten seine Augen.
Sie schauten sich an und schwiegen. Und in diesem Schweigen lag ein plötzliches Verstehen, das Désirée fast die Tränen in die Augen getrieben hätte. Für einen Moment verschwand der Unterschied zwischen ihnen, sie waren zwei menschliche Wesen unter der riesigen Himmelskuppel, die die Wüste überspannte, nicht König und Gefangene.
Ein seltsames Hochgefühl erfasste Désirée, das sie sich nicht erklären konnte, während gleichzeitig eine unsichtbare Hand ihre Kehle zusammendrückte. Sein Blick ließ sie die widrigen Umstände vergessen, die sie in seine Gewalt getrieben hatten. Zwischen ihnen flirrten unsichtbare Energien wie die Hitze, die dem aufgeheizten Boden entströmte.
Arkani saß vor ihr mit
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