Im Bann des roten Mondes
die iklan , Sklaven, die alle anfallenden niederen Arbeiten verrichten.«
Entsetzt trat sie einen Schritt von ihm weg. »Wirklich Sklaven? Aber das ist barbarisch! Und unwürdig.«
»Du urteilst schnell. Vielleicht solltest du unser Leben erst näher kennen lernen. So einfach, wie es dir scheint, ist es nicht. Und diese Leute sind auch nicht rechtlos. Daneben gibt es noch die imrad , Ziegenzüchter, die sich auch um die Kamele der Adligen kümmern. Sie dienen uns manchmal in der Art, wie früher in Frankreich Knappen den Rittern gedient haben. Kel ulli , das Volk der Ziegenzüchter. Ihr gewählter Ältester hat Stimmrecht bei der Wahl des Amenokals. Das ist wiederum der Oberste der Adligen.« Er wandte sich ihr zu, und in seinen Augen funkelte es voller Spott.
»Trotzdem ist es finsterstes Mittelalter«, entgegnete Désirée unangenehm berührt.
»Welche Stellung nimmt in deiner Gesellschaft die Frau ein?«, fragte er. »Was tut sie, wenn sie verheiratet ist?«
»Sie lebt mit ihrem Mann, gründet eine Familie, kümmert sich um Haushalt und die Kinder ..., was sonst?«
»Und wer bestimmt, was getan wird?«
»Der Mann natürlich. Schließlich verdient er ja den Lebensunterhalt der Familie. Es sei denn ...«
»Es sei denn was?« Seine Augen schienen sie jetzt zu durchbohren, und sie kam sich wie vor einem gestrengen Professor bei einer Prüfung vor.
»Es sei denn, sie führt ihr eigenes Leben und ergreift einen Beruf.«
»Würde das den französischen Männern gefallen?«
»Den meisten nicht«, gab Désirée zu. »Aber es gibt auch welche, die fortschrittlich denken. Mein Verlobter zum Beispiel ...«
»Und du? Würdest du dich ihm unterordnen, wenn er es verlangt, oder deinen eigenen Weg gehen?«
»Ich lasse mich von niemandem ...«, sie stockte und drehte schnell den Kopf weg. »Sie wollten mir etwas über Ihr Volk erzählen.«
»Das tue ich die ganze Zeit. Was die Frauen bei uns angeht, so besitzen sie diesen Fortschritt schon seit Urzeiten. Ihnen gehört das Zelt, und sie wählen den Mann, der mit ihnen das Zelt teilt. Wenn sie sich scheiden lassen, dann muss er das Zelt wieder verlassen. Für dich müsste es das Paradies sein.«
Sie stieß schnaubend Luft aus. »Darauf brauchen Sie sich nichts einzubilden, und ich betrachte dieses Leben keineswegs als Paradies. Dort, wo es Sklaven gibt, kann es kein Paradies geben.«
Arkani antwortete nicht darauf, sondern schlenderte weiter. Wollte Désirée noch mehr erfahren, musste sie ihm zwangsläufig folgen. Es gab also ein gewisses Vorrecht der Frau, und interessanterweise gab es sogar Scheidungen. Und dann warf sie den Mann einfach aus dem Zelt. Sie musste unwillkürlich lächeln. Die Arroganz dieser verschleierten Männer wurde also durch einen weiblichen Widerpart in Schach gehalten.
Einige Frauen trieben die Esel zur Weide. Bequemerweise ritten sie und trieben die anderen mit Stöcken und Rufen an.
»Sie besitzen sehr schöne Esel«, stellte Désirée fest.
»Nicht ich«, widersprach Arkani. »Sie gehören meiner Mutter und Tedest. Sie haben sie alle selbst aus der Wüste eingefangen und gezähmt.«
Désirée musste lachen. »Ich habe es beobachtet. Die Esel haben durchaus ihren eigenen Kopf.«
»Warum nicht? Sie sind stolze und freiheitsliebende Tiere. Und sie sind tatsächlich schön.« Er wandte sich zu ihr um. »Übrigens heißen sie, wie sie aussehen.«
»Bitte, was?«
»Sie heißen Weiß, Hellgrau, Rotbraun, Ocker, Anthrazit, Dunkelgrau ...«
Sie schüttelte lachend den Kopf. »Und was heißt Esel?«
» Aghyul .«
Sie schlenderten weiter am Ufer entlang.
»Was war das für ein Fest gestern Abend?«, nahm sie ihren Mut zusammen. »Mir schien, es ging zwischen den Männern und Frauen recht zwanglos zu.«
Er drehte sich so unvermittelt zu ihr um, dass sie beinahe gegen ihn geprallt wäre. Erschrocken hob sie die Hände und stützte sich gegen seinen Körper ab. Sie spürte seine feste Brust unter dem Stoff der Gandura. Er packte ihre Handgelenke und presste ihre Hände an sich.
»Es war der ahâl , eine Möglichkeit, dass unverheiratete Männer und Frauen sich ... näher kommen. Sie werben umeinander, singen, musizieren, tragen Gedichte vor. Unsere Frauen sind sehr schön.«
Verärgert entzog sie ihm ihre Hände. Ihre Finger zitterten, und das Beben setzte sich auch in ihrer Stimme fort. »Ich hoffe, Sie hatten gestern Abend Erfolg.« Schnell wandte sie sich ab und ging weiter. Er schlenderte gemächlich hinter ihr her.
Vor ihnen
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