Im Bann des roten Mondes
streckte ihr die Schale entgegen. » Aman iman .«
Misstrauisch beäugte sie die Schüssel. »Und was heißt das? Ein Zaubertrank?«
Er lachte. »Darauf solltest du antworten: ach isudar . Das Wasser lässt uns leben, die Milch gibt uns Kraft. Es ist frisch gemolkene Kamelmilch.«
Désirée wollte ihn nicht weiter provozieren, sondern nahm die Schüssel entgegen und trank. Es schmeckte schauderhaft, die Milch war noch warm.
»Was heißt ›Danke‹ in Ihrer Sprache?«
» Tanimmert . Und wenn dich jemand begrüßt, dann solltest du ihm erwidern: alaikoum essalam .«
Das warme Gefühl in Désirées Magen durch die Kamelmilch stimmte sie etwas versöhnlicher.
»Also gut. Alaikoum essalam , Arkani. Tanimmert !« Mit einem Lächeln reichte sie ihm die Schale zurück.
Sie sah es in seinen grauen Augen aufleuchten, und als sich ihre Finger berührten, verspürte Désirée wieder ein erregendes Kribbeln. Ein wenig verlegen senkte sie den Blick.
»Wenn du möchtest, zeige ich dir unser Dorf«, schlug Arkani vor. »Sicher hast du viele Fragen.«
Désirée war einverstanden. Aissa trat aus dem Zelt, und ihre dunklen Augen wanderten zwischen ihnen hin und her. Dann sagte sie etwas zu Arkani, und es klang nicht sehr freundlich. Désirée wurde das Gefühl nicht los, dass es ihr nicht recht war, dass sich Arkani auf diese Weise mit ihr abgab. Sosehr sie sich um Désirées Genesung bemühte, so schien sie doch auch zu spüren, welchen Einfluss Arkanis Nähe auf Désirées Gefühlsleben hatte.
Selbst wenn Désirée es vor sich selbst leugnete, so fühlte sie doch diese seltsame und geheimnisvolle Anziehungskraft, die von Arkani ausging. Sie musste sich gegen sein Charisma wappnen. Sie war stark, sie musste auch gegen Arkani Stärke beweisen.
Arkani antwortete seiner Mutter ebenso knapp, dann forderte er Désirée mit einer bestimmenden Handbewegung auf, ihm zu folgen. Also hatten die Männer doch ab und an etwas zu bestimmen, stellte sie im Stillen fest. Sie atmete tief durch und redete sich ein, sie befände sich auf einer archäologischen Expedition. Der Ausgrabungsleiter erklärte ihr gerade, was sie gefunden hatten. Und doch, hier lebte alles ...
Ein wenig besorgt drehte er sich zu ihr um und schaute auf ihren verbundenen Fuß. »Geht es dir gut?«
Sie nickte. »Ja, ja, es geht mir gut.«
» Al kheras «, sagte Arkani.
»Was?«
» Al kheras . Es geht mir gut. Sprich es nach.«
» Al kheras .«
Er schien zufrieden. Unten am Fluss blieb er stehen.
»Wo kommt das Wasser her?«, fragte Désirée verwundert. »Befinden wir uns hier nicht mitten in der Wüste?«
»Dieser Fluss entspringt dem Hoggar-Gebirge. Er führt fast das ganze Jahr lang Wasser, sodass es sich lohnt, hier ein Lager länger aufzuschlagen.«
»Und wo fließt er hin?«
»Irgendwann versickert er im Sand. Es gibt auch Jahre, da bleibt das Flussbett trocken. Aber unter dem Sand scheint es immer noch Wasser zu geben, denn die Dattelpalmen wachsen weiter. Und auf den Feldern bauen die issegaren Gemüse und Getreide an.«
»Wer sind die issegaren ?«, wollte Désirée wissen.
»Niedere, Bauern, Vasallen. Sie sind an Land gebunden, beackern es. Sie geben einen Teil ihrer Ernte als Tribut ab. Manchmal ist es vorteilhaft, in ihrer Nähe zu lagern.«
Aus großen Augen schaute sie ihn an. Arkani schien ihren Blick nicht zu bemerken, sondern blickte stolz über die Oase hinweg zu den Dünenkämmen dahinter.
»Also, verstehe ich richtig, es gibt Vasallen, die den Tuareg tributpflichtig sind? Und Sie leben nicht immer hier?«
»So ist es«, erwiderte er. »Ein Amajer würde sich niemals an ein Stück Erde binden. Wir sind die Edlen, denen die Kamelzucht obliegt. Wir kontrollieren die Handelswege, wir gewähren Schutz für die Karawanen und unsere Vasallen.«
»Vasallen«, wiederholte Désirée nachdenklich. »Das heißt, dass Sie sie zu Vasallen machen. Mit Gewalt.«
Sie hörte ihn leise lachen. »Natürlich. Wir sind Krieger.«
»Man sagt, dass Sie auch fremde Karawanen überfallen.«
»Die blauen Krieger sind gefürchtet«, sagte Arkani voller Stolz. »Wir führen die rezzous durch.«
»Was sind rezzous ?«
»Beutezüge. Mehr oder weniger zur Warnung. Im Allgemeinen reicht es, dass wir Abgaben für unsere Schutzgewährung verlangen.«
»Ich habe beobachtet, dass es dienende Männer gibt, die manchmal sogar von den Frauen angetrieben werden.«
Er schien amüsiert. »Du beobachtest gut«, lobte er sie. »Und du hast es richtig erkannt. Es sind
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