Im Bann des roten Mondes
abküsste. Sie blieb vor ihm stehen und senkte einen Moment den Blick, um sich zu sammeln. »Ich danke dir für deine Güte.«
Er schüttelte wieder den Kopf. »Es ist nicht meine Güte. Der Amenokal hat das Orakel befragt. Viele meiner Männer haben mich gewarnt. Sie wollen nicht, dass du bei uns bleibst. Sie wollen nicht, dass du zu den Geisterbergen reitest.«
»Und was willst du?«, fragte sie leise.
»Ich werde dich begleiten. Es sind sieben Tage. An jedem dieser sieben Tage werde ich dir eine Aufgabe stellen, eine Frage, die du beantworten musst. Davon hängt es ab, ob du diesem Leben gewachsen bist.«
Sie blickte mit großen Augen zu ihm auf, ohne mehr als seine dunkle Silhouette zu erkennen. »Ist es eine Prüfung?«
»Ja, eine Prüfung, die dir die Wüste auferlegt. In der Wüste erkennt der Mensch seine Seele.«
Am nächsten Abend tanzten die Männer. Verhüllt von ihren blauen Stoffen, ihre Schwerter gezogen, boten sie ein beeindruckendes und zugleich Furcht erregendes Bild. Ein tiefer, sanft anmutender Gesang erklang, gedämpft durch den tugulmust , doch er schwoll gleichmäßig an, wurde immer heftiger und endete mit einem abgehackten Schrei, während die Männer ihre Schwerter schwangen. Dann begann der Gesang wieder leise und langsam. Stundenlang ließen sie diese seltsamen Choräle erklingen, bewegten sich mit kleinen, rhythmischen Schritten vor und zurück, bildeten einen Kreis. Die Schwerter blitzten im Schein des Feuers, die Szenerie wurde gespenstisch. Der monotone Gesang wiegte Désirée in einen unruhigen Schlaf, aus dem sie im Morgengrauen wieder erwachte. Sie befürchtete, die Abreise der Karawane zu verschlafen.
Die beiden Frauen waren bereits geschäftig, als Désirée unter ihren Decken hervorkroch. Schnell trat sie vor das Zelt und schaute sich um. Die Sonne stand im Osten knapp über dem Horizont. Die Frauen trieben die Esel aus dem Gatter, und in der Ferne sah sie, dass einige Sklaven die Meharis sattelten.
Tedest trat aus dem Zelt und winkte ihr, dass sie ihr folgen sollte. Drinnen deutete Tedest auf die Sachen, die auf ihrem Lager ausgebreitet lagen, ein lange, weiße Gandura, ein wunderschöner Gürtel, beschlagen mit Silber und Kupfer, lederne Sandalen.
»Ist das alles für mich?«, staunte Désirée.
Mit einer ungeduldigen Handbewegung forderte Tedest sie auf, näher zu treten.
Désirée zögerte und ließ die Augen über die prächtige Kleidung schweifen. Doch nirgendwo entdeckte sie Unterkleider. Fragend hob sie den Blick. Über Tedests Gesicht flog ein Lächeln. Mit einem Nicken forderte sie Désirée auf, die Sachen anzulegen.
»Nackt?«, fragte sie entsetzt.
Kurzerhand packte Tedest ihr Unterhemd und zog es ihr aus.
Désirée hatte auf ihren Reisen mehrfach die Kleidung der Einheimischen getragen und festgestellt, dass sie den klimatischen Bedingungen wesentlich besser angepasst war als ihre eigene. Trotzdem hatte sie zumindest ihre Unterwäsche darunter behalten. Dass die Männer und Frauen unter ihrer Kleidung wirklich nackt waren, hatte sie bislang nicht gewusst. Fast scheu griff sie nach Tedests Kleid. Das Mädchen ahnte ihre Absicht und lachte. Dann hob sie ihren Rock. Fasziniert erblickte Désirée schlanke, braune Beine, die sich an ihrem Zusammenschluss in ein ebenso ebenmäßiges, geheimnisvolles Delta vereinten. Darüber wölbte sich sanft der Bauch mit der dunklen Vertiefung ihres Bauchnabels.
Désirée stieß die Luft zwischen den gespitzten Lippen aus. Es war das Paradies schlechthin, das einen Mann da erwartete.
»Donnerwetter«, murmelte sie. »Für mich sehr gewöhnungsbedürftig.«
Tedest hatte sie nicht verstanden, aber das schien ihr nichts auszumachen. Sie half Désirée beim Anlegen der Kleidung und band ihr den prachtvollen Gürtel um.
Dann trat Désirée aus dem Zelt. Draußen stand Arkani mit einem weißen Tuch in der Hand. »Die Sonne wird deinen Kopf zum Schmerzen bringen«, sagte er. »Der litham schützt dich davor.«
Mit einer Handbewegung deutete er ihr an, sich vor dem Zelteingang auf den Teppich niederzulassen. Sie raffte ihr Haar zusammen. Mit geschickten Fingern faltete, wand und knotete er den Stoff um ihren Kopf. Sie war erstaunt, wie angenehm leicht und kühl der Stoff sich anfühlte. Das Ende des lithams ließ er auf ihre Schulter fallen. Er trat einen Schritt zurück und begutachtete sein Werk. In seinen Augen konnte sie Zufriedenheit lesen.
Arkanis Sklave brachte eine hübsche Kamelstute. Désirée stellte fest, dass
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