Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
Allmählich fragte ich mich allen Ernstes, ob ich meine Schwester überhaupt gekannt hatte.
Ich kapierte das einfach nicht. Warum sollte sie mir eine Nachricht hinterlassen, in der sie mich anfleht, eine Handschrift über Magie zu suchen, die laut T. A. Murtough, dem Autor von A Definitive Guide, nicht mal existierte?
Ich schlug das Buch wieder auf und las die erste Fußnote noch einmal. Gab es tatsächlich da draußen Menschen, die glaubten, dass vor einer Million Jahren ein Buch über Magie verfasst worden war? Und war meine Schwester ermordet worden, weil sie die fanatische Suche danach behindert hatte?
Jericho Barrons glaubte, dass dieses Buch existierte.
Ich dachte einen Moment darüber nach und kam mit einem Schulterzucken zu dem Schluss, dass er ein Spinner sein musste. Gleichgültig, wie haltbar das Papier und wie gut es gebunden war, jedes Buch würde spätestens nach ein paar tausend Jahren zerbröseln. Das eine Million Jahre alte Buch dürfte schon seit Ewigkeiten zu Staub geworden sein. Und warum wollten diese Irren es unbedingt haben, wenn es ohnehin niemand lesen konnte?
Verwundert widmete ich mich wieder meinen Recherchen, arbeitete den zweiten Bücherstapel ganz durch und sammelte mir einen dritten zusammen. Eine halbe Stunde später hatte ich auch die Antwort auf diese Frage in einem Buch über irische Mythen und Legenden gefunden.
Die Legende besagt, dass der Schlüssel zum Code und zu der alten Sprache des Sinsar Dubh in vier mystischen Steinen verborgen ist. (Die Vier ist für die Tuatha De Danaan eine heilige Zahl: vier königliche Pferde, vier Heiligtümer, vier Steine.) Ein ausgebildeter Druide kann mit Hilfe eines dieser Steine Licht auf einen kleinen Textabschnitt werfen, aber nur wenn alle vier Steine gleichzeitig dem Willen eines Einzelnen unterworfen werden, wird der wahre Text des ganzen Werkes offenbar.
Na, großartig. Jetzt spielten auch noch die Druiden mit. Ich schlug als Nächstes das Stichwort Druide nach.
In der vorchristlichen keltischen Kultur überwachte ein Druide die Anbetung der Gottheiten; er regelte rechtliche und gesetzgeberische Angelegenheiten, beschäftigte sich mit Philosophie und der Ausbildung auserwählter Jugendlicher, die in den Orden der Druiden aufgenommen wurden.
Das klang gar nicht so schlecht. Ich las weiter. Und es ging rapide bergab.
Druiden brachten Menschenopfer dar und aßen Eicheln, um sich auf Prophezeiungen vorzubereiten. Sie glaubten, dass der Tag die Nacht unter Beobachtung hielte, und an Metempsychose, nach der eine Seele nach dem Tod der Körperhülle in anderer Gestalt wiedergeboren wird. In Vorzeiten war man überzeugt, dass Druiden in die Geheimnisse der Götter eingeweiht waren und sogar Materie manipulieren, Raum und sogar Zeit überwinden konnten. In der Tat, das altirische »Drui« bedeutet Magier, Hexenmeister, Weissager …
Okay, das war’s. Ich schlug das Buch zu und beschloss, für heute Schluss zu machen. Meine Leichtgläubigkeit war unterminiert. Dies war nicht meine Schwester. Nichts von dem, was ich heute erfahren hatte, passte zu ihr. Und dafür gab es nur eine einzige Erklärung.
Jericho Barrons hatte mich angelogen. Und wahrscheinlich saß er jetzt mit seinem Fünftausend-Dollar-Anzug in seinem noblen Buchladen und lachte sich krank über mich.
Er hatte mich auf eine falsche Spur geführt und mit einem Haufen Unsinn von diesem albernen mythischen Buch über schwarze Magie von dem abgelenkt, was ich in Wirklichkeit für Alina finden sollte. Wie jeder gute Lügner hatte er seine Täuschungen mit Wahrheit gespickt. Worum immer es auch ging, er wollte es unbedingt haben, nur deshalb veranstaltete er das ganze Theater. Meine Naivität amüsierte ihn sicher so sehr, dass er sich wahrscheinlich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, den Namen für das Objekt seiner Begierde großartig zu verändern. »Shi-sadu.« Ichsprach die Silben laut aus und überlegte, wie das wirklich geschrieben werden könnte. Ich war so einfältig! Vielleicht hatte Jericho Barrons nur zwei, drei Buchstaben von dem gälischen Wort, das mir Alina auf Band gesprochen hatte, ausgetauscht. Und diese wenigen Buchstaben machten den entscheidenden Unterschied zwischen einem reinen Fantasieobjekt und einem handfesten, greifbaren Gegenstand aus, der Licht in den Tod meiner Schwester bringen könnte. Und was das betraf, Barrons hatte wahrscheinlich nicht einmal gelogen, dass es sich um einen gälischen Begriff handelte. Trotzdem konnte ich mich auf seine
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