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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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kann.
    Kein Wunder, dass sie sich von seinem Schmerz angezogen fühlte wie ein Falter von der Flamme. Sie waren verwandte Seelen, Menschen am Rande des Glücks. Nahe genug, um es zu berühren, doch aus Angst vor Zurückweisung nicht imstande, danach zu greifen und zu sagen »Ich will«.
    Aber das war jetzt zu Ende. Sie und Jack und diese Kinder waren nun verbunden. Eine Familie, die einander brauchte.
    Da es ohne Plan nicht gehen würde, versuchte sie, die Situation zu analysieren. Diese Familie war ein Langzeitprojekt. Sie konnte nicht alles auf einmal lösen, konnte ein ganzes Leben voller Verletzungen nicht mit einem einzigen Verband heilen, aber die Situation war ihr nicht fremd. Sie hatte zehn Jahre ihres Lebens auf die Krebsforschung verwendet - die ersten vier, um eine einzige Zelle zu isolieren. Ja, Tess konnte von sich mit Fug und Recht behaupten, dass sie Geduld besaß.
    Sie dachte an Jack und lächelte. Vor allem im Umgang mit ihm würde sie viel Geduld brauchen.
     
    Als die Mädchen zur Schule gegangen waren, regte sich in Tess der Verdacht, dass sie zu optimistisch gewesen war. Verglichen mit den Leiden der Familie Rafferty war Krebs nur eine Bagatelle.
    Das Frühstück war schrecklich verlaufen. Von der Spannung innerhalb der Familie total verunsichert, hatte sie für alle nur ein unsicheres, zögerndes Lächeln übrig, was die allgemeine Nervosität nur noch steigerte.
    Dabei konnte von einem gemeinsamen Essen nicht die Rede sein. Katie saß allein am Tisch und stocherte mit der Gabel im Essen, ohne einen Bissen zu sich zu nehmen. Das Geräusch von Metall auf Steingut klang unangenehm schrill durch den viel zu stillen Raum. Savannah stand an der Spüle und schlang ihr Frühstück wortlos und ohne jemanden anzusehen hinunter. Und Jack ...
    Sie seufzte. Jack. Er war aus dem Haus gegangen und hatte auf der Veranda gegessen.
    Die Quälerei hatte keine zehn Minuten gedauert. Tess hatte sich eben aufgerafft, etwas zu sagen, ohne zu wissen, was, als Jack sein Geschirr in die Spüle knallte und verschwand. Die Mädchen würgten den Rest ihres Essens hinunter, schoben die Teller in einen Eimer und folgten ihm nach draußen.
    Tess blieb allein zurück, von dem Verhalten der Familie wie vor den Kopf geschlagen.
    Nun war fast eine Stunde vergangen, und sie hatte sich noch immer nicht gerührt. Sie saß am Küchentisch, die Ellbogen vor sich aufgestützt, dazwischen eine Tasse mit starkem, bitterem Kaffee.
    Tess seufzte. Sie konnte nichts dafür. Sie war ... einsam. Die Stille im Haus wirkte niederdrückend.
    In den Häusern ihrer Pflegeeltern hatte man wenigstens mit ihr gesprochen. Dieser Morgen mit Savannah aber hatte ihre Einsamkeit nur noch verstärkt.
    Plötzlich stürzte Jack herein, sah sie und hielt inne. Die Tür fiel laut hinter ihm zu.
    »Amarylis!«
    Tess empfand Erleichterung, wenigstens jemanden zu Gesicht zu bekommen. »Hi«, sagte sie lächelnd.
    Er blickte unangenehm berührt zum Fenster hinaus. Einen Augenblick lang glaubte sie, er würde hinausspringen. »Ich muss jetzt los ...«
    »Warte.« Sie erhob sich. »Trink doch eine Tasse Kaffee mit mir. Wir könnten miteinander reden.«
    Jack sprangen fast die Augen aus dem Kopf. Er starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Das glaube ich nicht.«
    »Na gut, dann rede ich eben. Du brauchst nur irgendwie ... zu brummen und zu nicken.«
    »Ach du lieber Gott«, murmelte er kopfschüttelnd.
    »Jack, ich kann nicht den ganzen Tag herumsitzen. Ich muss etwas tun. Aber ich kann mich an Farmarbeit nicht ... erinnern.«
    Er ging ins Wohnzimmer und griff nach einem hübschen kleinen Körbchen. »Hier«, sagte er und reichte es ihr.
    Tess hob den Deckel und sah ein Gewirr von Stoff und Fäden. »Stickerei. Wie ... anregend.«
    Er sah sie finster an. »Angeregt wolltest du doch nie werden.«
    Eine gänzlich unpassende, aus dem zwanzigsten Jahrhundert stammende Erwiderung lag Tess auf der Zunge. Sie schmunzelte.
    »Was ist so gottverdammt komisch?«, zischte er.
    Tess versuchte ihr Lächeln zu zügeln, mit begrenztem Erfolg. »Nichts. Wirklich.«
    Er sah sie wachsam an. »Amarylis, mach doch, was du willst. Nur geh mir aus dem Weg.«

Hewlett-Packard
    6
    Mach doch, was du willst.
    Tess überlegte. Was wollte sie tun?
    Sie wollte aus diesen vier total verstörten Menschen eine Familie machen. So dumm und naiv es sich anhörte, sie wollte nur, dass alle glücklich waren. Und an ihr war es, den Anfang zu machen. Erst musste sie eine richtige Mutter

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