Im Bann seiner Küsse
sein, dann würden die anderen vielleicht zu einer Familie zusammenwachsen.
»Gut«, sagte sie und trank einen Schluck Kaffee. »Aber wie?«
Was machten Mütter? Leider barg diese Frage bereits die Antwort in sich. Kochen, putzen, waschen, schrubben.
»Brrr.« Kein Wunder, dass sie Filme über Pionierfrauen immer gehasst hatte. Während die Männer draußen mutterlose Kälber zusammentrieben und die Weide abritten, scheuerten die Frauen zu Hause Böden oder machten Butter.
Sie stellte die Tasse ab und stand auf. Unangenehme Aufgaben waren Teil des Lebens. Indem man sie ignorierte, brachte man sie nicht zum Verschwinden. Wenn sie Mittelpunkt dieser Familie werden wollte, musste sie einen Anfang machen. Irgendwie musste sie herausfinden, wie die ideale Pionierfrau beschaffen war.
Sich anzuziehen, war vielleicht ein guter Anfang, entschied sie. Eine Pionierfrau verbrachte ihren Tag nie im Nachthemd.
Sie ging ins Schlafzimmer und sah nach Caleb, der schlief. Dann öffnete sie den Kleiderschrank und suchte einen lose fallenden, flach ausgeschnittenen Baumwollkittel heraus, den sie rasch anzog. Sie band sich eine zerknitterte weiße Schürze um, rollte die Ärmel auf, flocht ihr Haar und machte sich an die Arbeit.
Vier Stunden später kroch Tess in die letzte Ecke der Küche. Den Eimer mit dem Seifenwasser hinter sich herziehend, schrubbte sie den Boden und trocknete ihn mit ihrem mittlerweile völlig verschmutzten Lappen. Danach trug sie den Rest Bienenwachspolitur auf, den sie gefunden hatte, und bohnerte die Dielenbretter, bis sie spiegelblank waren.
Auf den Fersen kauernd warf sie den Lappen ins Wasser und seufzte tief und befriedigt. Das Haus war sauber. Sie fasste nach der Stuhllehne und zog sich müde hoch. Mit der Hand im schmerzenden Rücken begutachtete sie ihr Werk.
Zu ihren Füßen prangte der gründlich gebohnerte Eichenboden. Auf dem Tisch, dessen zahlreiche Makel von einem schneeweißen Tischtuch verdeckt wurden, stand ein üppiger Strauß Frühlingsblumen. Auf den offenen Borden des Küchenschrankes blitzten das blaue Steingutgeschirr, die Kaffeekanne aus Zinn und die irdenen Krüge um die Wette. Sogar der Herd, nun von Ruß und Fett gesäubert, sah aus wie aus einer Nummer von Country Home. Ein Feuer brannte hinter der Herdtür und strahlte holzrauchgeschwängerte Hitze aus.
Draußen polterten schwere Schritte über die Verandastufen. Im nächsten Moment trat Jack durch die Küchentür ein.
Ein komischer Ausdruck der Ungläubigkeit huschte über sein Gesicht, als seine Absätze über den glatten Boden glitten und er ausrutschte und schwer auf dem Boden landete.
Tess schnappte nach Luft. »Ist dir etwas passiert?«
»Was zum Teufel...«
Sie verbiss sich ein Lächeln. »Vielleicht hätte ich den Boden nicht wachsen sollen.«
Jack schüttelte den Kopf. »Wenn du mich umbringen willst, könntest du eine weniger schmerzhafte Methode wählen.«
Tess reichte ihm lächelnd die Hand.
Ohne sie zu beachten, fasste er nach dem Stuhl und zog sich hoch. Nun erst blickte er um sich und nahm die Veränderungen in der Küche wahr. Die übliche finstere Miene legte sich wieder über seine Züge.
»Ich nehme an, es ist zu sauber ?«, sagte Tess.
»Was zum Teufel machst du da? Du weißt verdammt gut...«
Seine Lautstärke ließ sie zusammenzucken. »Ach, um Himmels willen, Jack, sei schon ruhig.«
Er war sprachlos. »Wie bitte?«
»Du nervst.«
»Was?«
»Ich habe Pläne mit der Familie ... große Pläne. Aber wenn du herumläufst und mich dauernd anbrüllst, mache ich gar nichts. Wir müssen irgendwie einen gemeinsamen Nenner finden.«
Er lachte auf.
»Lach so viel du willst, aber hör zu.«
Er verschränkte die Arme und betrachtete sie aus schmalen, kompromisslosen Augen. Aber er blieb. Das war wenigstens etwas.
Sie umklammerte die Stuhllehne und starrte ihn an. »Sagt dir das Wort >Reinkarnation< etwas?« »Nein.«
Sie runzelte die Stirn. »Also ... manche Menschen glauben, dass eine Seele nach dem Tod weiterlebt. Du weißt schon, man nimmt einen anderen Körper an und führt ein anderes Leben. Sie glauben, dass es keine Zeit gibt, dass alles, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, jetzt passiert. Glaubst du das?«
»Nein.«
Tess zog eine Braue hoch. »Das könnte ein kleines Problem darstellen.«
»Warum?«
Sie ließ den Stuhl los und ging auf ihn zu, wobei ihr auffiel, wie seine Augen bei jedem ihrer Schritte zuckten. Knapp vor ihm blieb sie stehen. »Ich bin nicht deine liebende
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