Im Banne des schwarzen Schwertes
Irrtum...«
Die gewaltige Horde der Barbaren war beinahe ausnahmslos aufgestiegen und floh nach Osten. Man mußte die Männer aufhalten, denn bei dieser Geschwindigkeit würden sie bald Karlaak erreichen, und dann wußten nur die Götter, was passierte, wenn sie die ungeschützte Stadt erreichten.
Über sich hörte Elric das Schlagen der dreißig Fuß breiten Flügel und nahm den vertrauten Geruch der mächtigen Flugreptilien wahr, die ihn vor Jahren, als er die Piratenflotte zum Angriff auf seine Heimatstadt führte, verfolgt hatten. Dann hörte er die seltsamen Töne des Drachenhorns und sah, daß Dyvim Slorm auf dem Rücken des vordersten Ungeheuers saß, eine lange speerähnliche Peitsche in der behandschuhten Rechten.
Im Sturzflug stieß der Drache herab, und seine Körpermasse landete dreißig Fuß entfernt, die ledrigen Flügel falteten sich unter. Der Drachenherr winkte Elric zu.
»Sei gegrüßt, König Elric! Wie ich sehe, sind wir gerade noch rechtzeitig gekommen.«
»Wir haben Zeit genug, Verwandter«, sagte Elric lächelnd. »Es tut gut, den Sohn von Dyvim Tvar wiederzusehen. Ich hatte schon Angst, du würdest auf meine Bitte nicht eingehen.«
»Die alten Wunden haben sich während der Schlacht von Bakshaan geschlossen, bei der mein Vater Dyvim Tvar umkam, als er dir bei der Belagerung von Nikorns Festung half. Es tut mir leid, daß sich nur die jüngeren Tiere wecken ließen. Du wirst dich erinnern, daß die anderen noch vor wenigen Jahren eingesetzt wurden.«
»Ich erinnere mich«, sagte Elric. »Darf ich einen weiteren Gefallen erbitten, Dyvim Slorm?«
»Und der wäre?«
»Laß mich den ersten Drachen reiten. Ich bin in den Künsten des Drachenherrn geübt und habe gute Gründe, gegen die Barbaren selbst in den Kampf zu ziehen - wir mußten vor kurzem eine schreckliche Metzelei mitansehen und könnten den Burschen diese Tat nun vielleicht mit gleicher Münze heimzahlen.«
Dyvim Slorm nickte und schwang sich von seinem Tier. Das Ungeheuer bewegte sich unruhig und zog die Lippen der spitz zulaufenden Schnauze zurück, Zähne entblößend, die so dick waren wie ein normaler Unterarm und so lang wie ein Schwert. Die gespaltene Zunge zuckte heraus und wieder zurück, und die riesigen kalten Augen richteten sich auf Elric.
Elric sang dem Wesen in der alten melniboneischen Sprache etwas vor, nahm Dyvim Slorm die Peitsche und das Drachenhorn ab und stieg vorsichtig in den hohen Sattel am Halsansatz des Drachen. Er stemmte die gestiefelten Füße in die großen silbernen Steigbügel.
»Jetzt flieg, Drachenbruder!« sang er. »Hinauf und hinauf, halte dein Gift bereit!«
Er hörte das Knallen verdrängter Luft, als die Flügel zu schlagen begannen, dann hatte das mächtige Tier den Boden verlassen und schwang sich dem düstergrauen Himmel entgegen.
Die übrigen vier Drachen folgten dem Leittier, und während Elric an Höhe gewann, wobei er auf dem Horn bestimmte Töne erzeugte, um die Richtung anzuzeigen, zog er das Schwert aus der Scheide.
Vor Jahrhunderten hatten Elrics Vorfahren ihre Drachentiere bestiegen, um die gesamte Westliche Welt zu erobern. Damals hatte es in den Drachenhöhlen noch weitaus mehr Drachen gegeben. Heute waren nur noch ein Dutzend von ihnen übrig, und von diesen hatten nur die jüngeren lange genug geschlafen, um wach zu werden.
Die riesigen Reptilien stiegen in den Winterhimmel empor, und Elrics langes weißes Haar und sein beschmutzter schwarzer Mantel wehten hinter ihm, als er das freudige Lied der Drachenherren schmetterte und seine Zöglinge in Richtung Westen lenkte.
»Über die Wolken, ihr Pferde des Windes! Der Hornstoß geht durch Mark und Bein. Als Eroberer waren wir die ersten, Und werden auch die letzten sein!«
Alle Gedanken an Liebe, an Frieden, sogar an Rache, gingen in jenem schnellen Flug durch den unruhigen düsteren Himmel verloren, der über dem alten Zeitalter der Jungen Königreiche hing. Elric, Vorbild, stolz und verächtlich in dem Bewußtsein, daß selbst sein schwaches Blut echtes Blut der Zaubererkönige von Melnibone war, versank in Gedanken.
Er besaß in diesem Augenblick keine Bindungen, keine Freunde, und wenn das Böse ihn beherrschte, dann war es ein reiner, strahlender Impuls, unbefleckt von menschlichen Sehnsüchten.
Hoch am Himmel flogen die Drachen dahin, bis sich unter ihnen eine bewegte schwarze Masse erstreckte, die die Landschaft beschmutzte - die von Angst besessene Barbarenhorde, die in ihrer Ahnungslosigkeit jenes Land
Weitere Kostenlose Bücher