Im Banne des stuermischen Eroberers
dich ganz gewiss kein weiteres Mal zusammenflicken. Zurück ins Bett, aber sofort!“
Doch Stephen hörte nicht auf sie, sondern zog sich bereits seine blutbesudelten Hosen an. Ein Teil dieses Bluts stammt vermutlich von Hethe, dachte Helen betroffen.
„Vielleicht hat Eure Mutter recht, Stephen“, sagte sie. „Ihr seid nicht in der Verfassung, um ... “
„Ich komme mit“, beharrte er, zuckte vor Schmerz zusammen und wankte auf sie zu. Im Gehen streifte er sich eine ebenfalls blutdurchtränkte Tunika über.
„Aber ... “, setzte Helen an, doch Stephens Mutter fiel ihr ins Wort.
„Sei doch kein Schafskopf!“, fauchte sie. „Marsch zurück ins ...“
„Wo hast du mein Pferd hingeschafft, Mutter?“, fragte Stephen, ohne die beiden Frauen auch nur eines Blickes zu würdigen.
Hilflos aber auch wütend starrte seine Mutter ihn an, ehe sie die Schultern sacken ließ und zur Tür eilte. „Ich habe den Burschen hinter der Kate versteckt. Ich hole ihn. Zieh dir deine verdammten Stiefel an.“
Zögernd beobachtete Helen, wie Stephen seine Stiefel aufspürte und mühselig überstreifte. Gern hätte sie ihn einfach stehen lassen und wäre ohne ihn aufgebrochen, vermochte es jedoch nicht. Leise vor sich hin murmelnd, hastete sie zu ihm, um ihm zu helfen. Es dauerte nicht lange, bis sie ihm Stiefel und Schwertgurt angelegt hatte, aber seine Mutter war schneller. Sie hatte das Pferd bereits vor die Hütte geführt und saß im Sattel, als Helen mit Stephen vor die Tür trat.
„Was tust du da oben?“, fragte Stephen unwirsch.
„Ich komme mit. Jemand muss schließlich dafür sorgen, dass du auf diesem ungeschlachten Riesen von einem Pferd sitzen bleibst.“
Er öffnete den Mund, um etwas einzuwenden, schien es sich jedoch anders zu überlegen und schleppte sich schweigend zum Pferd. Während seine Mutter von oben zog, schob Helen von unten, und so gelang es ihnen, Stephen in den Sattel zu hieven. Helen schwang sich auf ihre Stute, und erst jetzt kam ihr Goliath wieder in den Sinn. Sie hatte ihn draußen gelassen, als sie erkannt hatte, dass Stephen zu schwach war, um eine Bedrohung darzustellen. Nun schaute sie sich um, rief und pfiff nach dem Tier und entspannte sich, als es zwischen den Bäumen hervorgetrottet kam.
„Los!“, befahl sie, griff nach den Zügeln ihrer Stute, und schon ritten sie im Eiltempo davon.
21. Kapitel
Stephen“, wiederholte Hethe traurig. „Dir ist doch klar, dass er derjenige sein muss, der hinter all dem steckt, nicht wahr?“
„Oh, aye.“ Geistesabwesend drehte William den Becher auf der Truhe hin und her. „Wer sonst? Ich bezweifle, dass einer der Bediensteten oder der Dörfler mit dem Bogen umzugehen weiß.“ „Wohl kaum.“ Hethe beobachtete Williams Hände, war mit den Gedanken jedoch bei Stephen und dessen Heimtücke. „Eine andere Erklärung fällt mir leider nicht ein. Allerdings verstehe ich nicht, warum er es so weit getrieben hat. Die Grausamkeit gegenüber den Hörigen und Dörflern hätte ich ihm nachsehen können ... Nun, nachsehen vielleicht nicht, aber ich hätte ihn bestraft und ihm anschließend ermöglicht wiedergutzumachen, was er angerichtet hat. Ich begreife nicht, warum er es so weit hat kommen lassen müssen. Was erhofft er sich bloß davon?“
„Womöglich ersehnt er sich all das, was dir gehört“, erwiderte William leise.
Hethe bedachte ihn mit einem erbosten Blick. „Mich zu töten, wird ihm das nicht einbringen“, entgegnete er schroff. „Sollte ich sterben, ginge alles an meinen Cousin Adolf.“
William versteifte sich, ehe er versonnen nickte. „ Aye , das würde es wohl.“
„Weshalb also will er meinen Tod?“
„Vielleicht hasst er dich.“
Hethe erstarrte. „Warum?“
„Nun, weil du alles hast, was ein Mann sich nur wünschen kann. Wohlhabende Besitzungen, die dir Einfluss verleihen. Eine liebreizende junge Gemahlin. Das Ohr des Königs. Er hingegen besitzt nichts.“
Hethe legte die Stirn in Falten. „All das habe ich von Vater geerbt. Ich verdanke es nur ...“
„Dem Zufall.“
Unwillig blickte Hethe ihn an, doch William fuhr bereits fort. „Stephen hat denselben Vater wie du, aber seine Mutter war nur die Tochter des Schmieds. Wärest du ihr Sohn und Stephen der Sohn der deinen gewesen, so wäre er Lord geworden und nicht du. Aber dass ihr denselben Vater habt, hast du nicht gewusst.“
„ Nay. “ Hethe starrte finster vor sich hin, ehe sein Blick durch das Gemach schweifte. Er überdachte das soeben
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