Im Banne des stuermischen Eroberers
erbleichte. Heute Nacht würde sie den Vollzug der Ehe nicht fürchten müssen. Sie hatte gewonnen. Kaum hatte sie ihren Triumph ausgekostet, als ihr Bräutigam zur Tür stürmte und sie aufriss. Es überraschte Helen nicht, Ducky und Tante Nell davor zu sehen. Die beiden hatten vor dem Eingang gekauert, um ja nicht zu verpassen, wie das Kraut auf Lord Holden wirkte. Vermutlich hatten sie befürchtet, er könne Helen an die Gurgel gehen. Helen argwöhnte, dass er es tatsächlich getan hätte, wäre es ihm möglich gewesen, ihre Nähe zu ertragen. Er schäumte vor Wut.
Kurz fürchtete sie, er werde seinen Unmut an der zitternden Kammerfrau und Tante Nell auslassen, aber das tat er nicht.
Seine Stimme klang kalt vor Zorn, aber er sprach beherrscht, als er sich an Ducky wandte. Tante Nell ließ er links liegen. „Du wirst ein Bad nach oben bringen lassen“, blaffte er. „Zudem wirst du jeden Tropfen Parfüm, jedes Blütenblatt und überhaupt alles heranschaffen, was Wohlgeruch verströmt! Hast du verstanden?“
„Aye, Mylord.“ Die Kammerfrau huschte so hurtig davon, wie ihre Füße sie trugen. Helen sah noch, wie sie sich auf dem Weg zur Treppe bekreuzigte. Lord Holden richtete den Blick auf Tante Nell, die wachsam einen Schritt zurückwich.
„Ich denke, ich werde ...“ Nell wedelte mit der Hand und trat unter Hethes finsterer Miene hastig den Rückzug an.
Helen setzte sich im Bett auf und bedeckte sich wieder mit dem Fell, eine Bewegung, die die Aufmerksamkeit ihres Gemahls weckte. Wenn Blicke hätten töten können, so hätte dieser hier Helen auf der Stelle in Asche verwandelt.
Angelegentlich musterte sie das Fell und zupfte daran herum, um Hethe nicht ansehen zu müssen. Zu ihrer Verwunderung hatte sie mit einem Mal ein schlechtes Gewissen. Es war die Pflicht einer Gemahlin, sich zu fügen, und sie war alles andere als fügsam.
Gereizt, weil ihr eigenes Gewissen sie piesackte, hielt sie sich vor Augen, dass dieser Mann ein grausamer, herzloser Bastard war, den sie sich nicht als Gemahl wünschte. Dass er seit seiner Ankunft auf Tiernay nichts getan hatte, was Helen in ihrer schlechten Meinung von ihm bestärkt hätte, dämpfte ihre Selbstgerechtigkeit ein wenig. Entschlossen reckte sie das Kinn. Sie hatte sich nicht das Geringste vorzuwerfen.
9. Kapitel
Aus bedrohlich verengten Augen fixierte Hethe seine Braut. Kurz meinte er, einen Ausdruck der Zerknirschung über ihr Gesicht huschen zu sehen. Dieser Umstand besänftigte ihn ein wenig, aber sogleich wurde ihre Miene trotzig. Nun funkelte sie ihrerseits ihn verärgert an, so als wäre dies alles seine Schuld. Er stieß die Tür zu und schritt zum Bett, die Hände wütend zu Fäusten geballt. Aber er hatte die Kammer erst zur Hälfte durchquert, als seine Braut erschrocken die Augen aufriss, ohne Warnung das Fell zurückschlug und ihm abermals den Gestank entgegenfächelte.
„Wollt Ihr es doch versuchen, Mylord?“, presste sie hervor.
Abrupt blieb Hethe stehen, erneut von Würgereiz befallen. Da er den Nachttopf bereits besudelt hatte, stürzte er zum Fenster und erbrach den Rest seiner ersten anständigen Mahlzeit auf Tiernay in den Hof. Vom Bett hinter ihm hörte er seine Braut gedämpft lachen, und er schwor sich im Stillen, dass sie dafür bezahlen würde. Aye, sie würde bezahlen.
Er hing noch immer aus dem Fenster, als es an der Tür klopfte. Sein Magen war längst leer, aber Hethe genoss es, die köstliche frische Luft einzuatmen. Widerwillig richtete er sich auf und drehte sich um. „Herein!“, rief er und schaute von seiner verhältnismäßig sicheren Stellung am Fenster aus zu, wie die Tür aufschwang und eine Schar Bediensteter eintrat. Die Mägde trugen einen Badezuber und Eimer um Eimer mit Wasser.
Grimmig sah Hethe zu, wie der Zuber abgestellt und gefüllt wurde. Erstaunlich, wie flink sie zu Werke gehen, dachte er amüsiert. Das Gesinde seiner Gemahlin schien seine Aufgabe gar nicht rasch genug erledigen und wieder verschwinden zu können. Ihm entging nicht, wie sie innehielten oder zusammenfuhren, wenn der widerlich süßliche Hauch sie traf, der in der Luft lag. Ausnahmslos alle warfen ihrer Herrin einen flüchtigen Blick zu, ehe sie zu ihm
herüberlugten. Zweifellos waren sie eingeweiht, und mit jedem demütigenden Augenblick, der verstrich, wuchs Hethes Entrüstung. Offenbar handelte es sich bei diesem Krieg keineswegs um einen stillen Kampf. Er begann zu argwöhnen, dass jeder Mensch auf Tiernay Castle von dem Feldzug
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