Im Bannkreis Des Mondes
einzig wahre ist. Ich weiß nicht, warum mir dieses große Glück zuteilwurde, und genauso wenig scheint es dir jetzt begreiflich zu sein, weil dieser Segen über der Verbindung mit Talorc liegt. Aber du siehst, es ist möglich.«
Abigail erinnerte sich gut an die Besitzgier, die sie in den Augen des Wolfs gesehen hatte. Sowohl damals im Wald als auch nach dem Kampf mit dem Keiler. Ihr wurde schwindelig. »Das kann unmöglich stimmen.« Obwohl ihre Zweifel langsam schwanden.
»Es ist so. Ich würde dich nie anlügen oder dich veralbern, wenn es um etwas so Wichtiges geht, das weißt du doch.«
Abigail erinnerte sich, wie die Stimme sie angeschrien hatte, als der Keiler auf sie zuraste. »Er kann so die ganze Zeit mit mir reden? Oder passiert das nur in den Momenten, wenn große Gefühle im Spiel sind?«
»Lachlan redet die ganze Zeit auf diese Weise mit mir, und ich auch mit ihm. Cait und ihr Mann sind Seelengefährten, denen diese Gabe auch geschenkt wurde. Soweit ich weiß, ist es durchaus möglich, ständig so miteinander zu reden. Den gesegneten Seelengefährten ist diese Fähigkeit gegeben.«
»Warum hat Talorc das mir gegenüber nie erwähnt?« Warum gewährte er ihr nicht, auf diese ungewöhnliche Art mit ihm zu reden, wenn sie doch dazu in der Lage waren? Wie konnte er ihr den Klang seiner Stimme verwehren, obwohl er doch inzwischen wusste, dass ihre Welt verstummt war?
»Ich weiß es nicht. Er hat mir auch nie etwas davon gesagt, als ich damals als seine zukünftige Frau auf der Burg weilte. Es war aber auch nicht Lachlan, der mich in das wahre Wesen der Chrechte einweihte. Das hat Cait getan.«
»Aber warum hält er es vor mir verborgen?«
Emily warf ihr einen ostentativen Blick zu. »Du solltest die Antwort besser als alle anderen kennen.«
»Weil jemand, der anders ist, von den Leuten oft als Bedrohung gesehen wird.«
»Genau. Wenn das Geheimnis der Chrechte irgendwann offenbar würde, werden die Menschen vermutlich beginnen, sie zu jagen und sie wie Tiere abzuschlachten. Du weißt, es hätte dir genauso ergehen können, hätten unsere Leute von deiner Taubheit erfahren. Wie viel schlimmer ergeht es dann wohl einem, von dem sie wissen, dass er sich in einen Wolf verwandeln kann? Die Chrechte sind mächtige Krieger, aber es gibt nur wenige von ihnen – verglichen mit den Menschen, unter denen sie leben.«
»Aber das erklärt nicht, warum Talorc mir nichts davon gesagt hat.«
»Nein, das tut es auch nicht. Ich weiß nur, dass die Chrechte ihre Geheimnisse vor anderen Menschen sorgfältig verbergen. Werden sie entdeckt, weil jemand ihr Geheimnis verrät oder weil jemand, dem sie sich anvertrauen, etwas weitererzählt, würde es den sicheren Tod für alle Chrechte bedeuten.«
»Aber du hast mir davon erzählt«, sagte Abigail, die sogleich um das Leben ihrer Schwester bangte.
»Natürlich habe ich dir davon erzählt. Du bist meine Schwester, und du bist mit einem Chrechtekrieger verbunden. Du bist für unsere Männer kein Risiko.«
»Da ist Talorc bestimmt anderer Meinung.«
»Er ist kein Mann, der leichtfertig vertraut.«
Würde er sie lieben, würde er ihr vertrauen. Aber das war ein Thema, das Abigail ihrer Schwester gegenüber nicht ansprechen wollte. »Und ich habe ihn getäuscht.«
»Ja, das hast du. Aber ebenso wie du Verständnis für die Chrechte und die Wahrung ihrer Geheimnisse aufbringst, sollte er verstehen, warum du dein Gebrechen verborgen hast. Er sollte deshalb nicht denken, du seist weniger vertrauenswürdig.«
»Er wird sehr wütend, wenn ich von meiner Taubheit als ein Gebrechen rede«, sagte Abigail. Wenn sie nicht bald das Thema wechselten, fürchtete sie zusammenzubrechen. Die Konsequenzen dessen, was sie heute erfahren hatte, waren fast zu viel für sie.
»Tatsächlich?«
»Ja. Er behauptet, es ist kein Gebrechen, sondern höchstens eine Schwäche, die kaum eine solche ist, da ich sie gut wettmache.«
»Er ist ein kluger Mann, wenn er will.«
»Das stimmt.« Das war alles, was Abigail zu dem Thema noch sagen konnte, ohne fürchten zu müssen, dass ihre Schwester sie durchschaute. Ihr Herz zog sich in ihrer Brust schmerzlich zusammen. Talorc hatte Geheimnisse vor ihr – was das für die gemeinsame Zukunft bedeutete, wollte sie sich nicht ausmalen.
Warum wurde sie jedes Mal, wenn sie glaubte, sie habe endlich ihr Glück gefunden, wieder mit so erniedrigenden Rückschlägen konfrontiert?
»Geht es dir gut, Schwesterchen?«
Zum ersten Mal in ihrem Leben log
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