Im Bannkreis Des Mondes
nicht leugnen. Sie lebte jeden Tag mit ihrer Angst. »Gerade jetzt habe ich keine Angst.«
»Das sehe ich.«
»Als ich dachte, du wolltest mich in der Hütte schnell und brutal entjungfern, hatte ich Angst«, gab sie zu. Sie war nach wie vor dankbar, dass er es nicht getan hatte.
»Aye. Du warst entsetzt.« Diese Wahrheit schien ihn nicht zu beunruhigen. Und trotzdem hatte er ihr diese Erfahrung erspart.
»Du hast mir meine Angst genommen.«
Er zuckte mit den Schultern. Ihr Körper wurde gegen seinen gedrückt.
Verunsichert holte sie tief Luft. »Ich war keinem Menschen mehr so nahe, seit meine Schwester unser Heim verlassen hat.«
»Niemand wird dich je so festhalten.«
Ach wirklich? Sie war nicht so schamlos, einem anderen Mann zu gestatten, sie zu berühren. Sie verdrehte die Augen. Aber dann kam ihr ein Gedanke. »Ich werde Emily umarmen, wenn ich sie wiedersehe.«
»Du wagst es, dich mir zu widersetzen?« Irrte sie sich oder zuckte sein Mundwinkel?
»In dieser Sache schon.«
»Wenn du glaubst, ein anderer Mann dürfte dich berühren …« Die drohenden Worte hingen zwischen ihnen in der Luft, und in seinen Augen glomm eine Wut, die angesichts ihres Gesprächs völlig ungerechtfertigt war.
»Sei nicht töricht. Ich habe ja noch nicht einmal gelernt, von dir berührt zu werden.«
»Du wirst dich schnell an meine Berührungen gewöhnen.« Da war wieder dieses verblüffende Selbstvertrauen.
»Es ist deine Pflicht, mich daran zu gewöhnen.« Sagte sie das tatsächlich laut? Aber genau das hatte er doch gesagt, als er ihr erklärt hatte, was sie im Ehebett erwartete.
»Aye.«
»Was sind die Chrechte?«
Er beantwortete die Frage nicht sofort, sondern blickte ihr in die Augen. In seinem Blick lag etwas, das sich ihrem Verständnis entzog, auch wenn sie bereits einiges über ihn gelernt hatte.
»Du hast vorhin gesagt, dein Pferd sei eines Chrechtekriegers würdig. Ist das ein anderes Wort für einen Highlander?«
Er schüttelte den Kopf.
»Und was bedeutet es dann? Ist es ein Häuptling? Ein Laird?«
»Stellst du immer so viele Fragen?«
»Möchtest du die Wahrheit wissen?«
»Ich werde immer die Wahrheit von dir verlangen.«
Bei diesen Worten verspürte Abigail einen Stich im Herz. Sie entschied in diesem Moment, ihn niemals anzulügen, auch wenn sie ihm ihr Geheimnis nicht anvertrauen konnte. »Ich wünsche mir oft, mehr zu wissen. Aber meistens frage ich nicht nach.«
»Trotzdem zögerst du nicht, mir Fragen zu stellen.«
»Soll ich es lieber nicht tun?«
Er antwortete nicht sofort.
»Also?« Er konnte ja nicht wissen, wie wichtig seine Antwort für sie war. Aber diese Antwort würde ihr viel darüber verraten, ob er sie achtete.
»Doch.«
»Es ist gut für mich, das zu wissen.«
»Die Chrechte sind ein uraltes Volk, das jetzt zusammen mit den Clans in den Highlands lebt.«
Sie lächelte. Seine Worte zeigten ihr, dass er geneigt war, ihre Neugier zu befriedigen. »Du meinst die Pikten?«
»So haben die Römer uns genannt, aye.«
»Wie die Normannen, die unter den Engländern leben?«
Er zuckte erneut mit den Schultern. Ein unmissverständlicher Ausdruck lag um seinen Mund, als sie die Engländer erwähnte.
Abscheu.
Abigail drehte sich wieder nach vorn. Das Vergnügen an ihrer Unterhaltung war gedämpft worden. Talorc hasste die Engländer. Das würde sich wohl niemals ändern.
Egal wie rücksichtsvoll er heute auch war, es blieb die Tatsache, dass er nicht auf immer sagen würde, sie nicht zu hassen. Und sei es nur, weil sie nicht die Unschuld war, für die er und sein Krieger Niall sie hielten. Sie belog die beiden, weil sie vorgab, etwas anderes zu sein. Sie spielte ihnen die vollkommene Frau vor, die es wert war, das Eheweib eines Laird zu sein.
Zum ersten Mal war Abigail betrübt, weil ihre Zukunft unausweichlich war. Talorc war nicht das befürchtete Monstrum und schon gar nicht das barbarische Tier, das ihre Mutter vermutet hatte.
Er hatte seine Krieger beauftragt, sie in der Nacht vor der Hochzeit zu bewachen. Das allein bewies schon, dass sie ihm mehr wert war als ihren Eltern. Sogar obwohl sie Engländerin war. Er hatte sie zudem vor einer lieblosen Hochzeitsnacht bewahrt, die Sybil vermutlich mit sadistischer Freude von ihr verlangt hatte.
Abigail wusste nicht, was genau sie dazu gebracht hatte, ihr Blut mit seinem auf dem Laken zu vergießen. Sie wusste nur, dass in ihr eine leise Stimme war, die ihr eingeflüstert hatte, es sei richtig, das zu tun.
Und Talorc hatte
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