Im Bannkreis Des Mondes
wortlos die Halle. Das war’s also. Seine Haltung ihr gegenüber hatte sich nach dieser Nacht und der ordentlichen Menge Whisky, die er in sich hineingeschüttet hatte, offenbar nicht verändert.
Sein Zwillingsbruder Barr wachte als Nächster auf. Seine Augen wirkten klarer als Nialls, und auch seine Miene war nicht so verschlossen. »Guten Morgen.«
»Guten Morgen«, flüsterte sie, weil sie nicht wusste, ob sie die anderen wecken wollte.
»Wo steckt Guaire?«
»Ich habe ihn schlafen lassen.«
Barr nickte. »Talorc wird vor Wut toben, wenn er mitbekommt, dass du wieder ohne Begleitung die Treppe heruntergekommen bist.«
»Ich glaube, das ist heute früh noch meine geringste Sorge.«
»Du hast ihn getäuscht und er fühlt sich deswegen töricht.«
»Er ist nicht töricht.«
»Aye, das weiß ich. Und er weiß es auch. Aber was er weiß und was er fühlt muss nicht zwingend dasselbe sein. Ist für uns alle ähnlich, glaubst du nicht?«
»Ich vermute, das stimmt.« Sie schlang die Arme um sich und schaute über die Reihe der schlafenden Krieger. »Es sieht für mich so aus, als ob sie alle betrunken sind.«
»Die meisten wissen eben nicht, was sie denken sollen.«
»Manchmal wünschte ich, das auch zu können. Nicht denken, meine ich«, gab sie zu. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch.«
Aber Barr hörte ihre Worte. Diese Chrechte hatten ein Gehör, das dem eines Raubtiers glich. »Versuch’s lieber nicht mit Schnaps. Der Kopfschmerz am nächsten Morgen ist’s nicht wert.«
»Vielleicht ist es dann am besten, wenn ich erst später mit Talorc rede.«
In diesem Moment hob ihr Mann den Kopf. Seine blauen Augen waren blutunterlaufen, aber nicht minder stechend. »Was gibt es da zu reden?«
Sie konnte nicht glauben, dass er eine so dumme Frage stellen konnte. »Die gestrigen Enthüllungen.«
»Du meinst meine Entdeckung, dass du mich seit unserer ersten Begegnung beständig angelogen hast?«
»Ich habe dir nie gesagt, ich könne hören.«
»Du hast mir auch nie gesagt, du könntest es nicht.«
»Nein, das habe ich nicht gesagt.«
»Warum nicht?«
»Das würde ich lieber unter vier Augen mit dir besprechen.« Erneut ließ sie ihren Blick über die weggetretenen Soldaten schweifen. »Ich finde, dieses Drama wurde schon im ersten Akt vor den Augen zu vieler Zuschauer aufgeführt. Deine Krieger sollen sich nicht noch weiter daran ergötzen.«
»Ich sehe keine Notwendigkeit, überhaupt darüber zu reden.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe ein Recht zu erfahren, was die Zukunft für mich bereithält.« Den Großteil der vergangenen Nacht hatte sie damit verbracht nachzudenken. Sie war zu mehreren Ergebnissen gekommen. Das Wichtigste war wohl Folgendes: Wenn sie Talorc schon nicht überzeugen konnte, sie bei ihm bleiben zu lassen, wollte sie wenigstens eine Sinclair bleiben.
Sie wusste, es würde nicht einfach für sie werden. Aber seit das Fieber sie als Kind beinahe umgebracht hatte, war in ihrem Leben nichts so wichtig gewesen wie dieser Wunsch.
Sie hatte zudem beschlossen, sich nicht vor der Wahrheit zu verschließen, wie immer diese auch aussehen mochte. Ihr Mann wollte also nicht mit ihr reden. Damit war die Sache erledigt.
Talorc antwortete nicht, aber er stand auf, sagte etwas an Barr gewandt, das sie nicht erkennen konnte, und stieg die Stufen hinauf. Abigail folgte ihm. Es entmutigte sie irgendwie, dass er nicht darauf bestand, ihr auf der Treppe den Arm zu reichen.
Sie hatte erst zwei Stufen überwunden, als er stehen blieb und sich zu ihr umwandte. Er stapfte zurück und packte ihre Hand. »Ich bin wahrscheinlich noch unsicherer auf den Beinen als du.« Aber er ließ ihre Hand nicht wieder los.
»Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum du glaubst, ich sei unbeholfen«, sagte sie in seinem Rücken.
Wenn er darauf etwas erwiderte, gab Talorc sich keine Mühe, den Kopf in ihre Richtung zu drehen, damit sie seine Worte ablesen konnte.
Als sie die Schlafkammer erreichten, war Guaire verschwunden. Ihre Erleichterung wich rasch einer gewissen Enttäuschung, da Talorc ihre Hand losließ und zwei Schritte beiseitetrat. Sein Körper zuckte, als er den Pelzberg entdeckte, auf dem der Truchsess geschlafen hatte. Wütend starrte Talorc sie an.
»Sieh mich nicht so an, als wäre das meine Schuld.« Sie zeigte auf das behelfsmäßige Bett. »Du bist doch derjenige, der ihm befohlen hat, bei mir zu bleiben. Als du letzte Nacht nicht in unsere Kammer zurückgekehrt bist, sah er
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