Im Bannkreis Des Mondes
Mutter hat ein Herz aus Stein.«
»Nur wenn es um mich geht.«
»Warum?«
»Was glaubst du denn, warum?«
»Wenn ich es wüsste, würde ich nicht fragen.«
»Weil ich nicht vollkommen bin. In ihrem Leben ist kein Platz für mich.« Genauso wenig war in Talorcs Leben und seinem Clan Platz für sie, wenn Abigail seinen Worten glauben konnte.
Selbst jetzt, Stunden später, waren diese Worte wie Messerstiche in ihrer Seele.
Er sagte ein Wort, das sie nicht kannte. Sie bat ihn nicht, es ihm zu übersetzen, weil sie ziemlich sicher war, dass sie die Bedeutung nicht wissen wollte.
»Wenn dein Plan so aussah, dass ich dich in die Highlands bringe und dich dann wegen deiner Taubheit verstoße, damit du danach zu deiner Schwester ziehen kannst – was im Übrigen ein jämmerlicher Plan war –, warum hast du mir dann nicht einfach die Wahrheit gesagt, sobald wir meine Festung erreichten?«
Dieses Gespräch verlief besser, als sie zu hoffen gewagt hatte. Die Tatsache, dass er mit seinen Fragen ihre wahren Beweggründe zu erkunden versuchte, ließ in Abigail Hoffnung aufkeimen. Es war ein winziger Hoffnungsschimmer, aber sie blieb auf der Hut. »Als wir die Burg erreichten, wusste ich, dass ich dich nicht verlassen wollte.«
»Du hast mich weiter betrogen, weil du dir erhofft hast, bei mir bleiben zu dürfen?«, fragte er, als müsse er sich vergewissern. »Du warst so sicher, dass ich dich nach der Enthüllung deines Geheimnisses verstoßen würde?«
»Ja.« Die Antwort auf beide Fragen.
Er reagierte nicht im Geringsten auf dieses Geständnis.
Als das Schweigen zwischen ihnen sich unerträglich dehnte, fragte sie bang: »Was wirst du jetzt mit mir tun?«
»Hoffst du noch immer, fortgeschickt zu werden, um bei den Balmorals zu leben?«
»Nein.« Hatte sie nicht gerade erst deutlich gemacht, wie sehr sie wünschte, bei ihm bleiben zu dürfen?
Er blickte sie übel gelaunt an.
Wenn er es nicht aussprechen wollte, musste sie es eben tun. »Ich will hierbleiben. Als dein Weib, wenn du mich behalten willst.«
»Warum?«
»Weil ich dich liebe. Das habe ich dir schon gestern gesagt.«
»Du hättest mich gestern ja anlügen können.«
Ihr gebrochenes Herz zerschellte noch ein bisschen mehr. »Das habe ich nicht.«
»Hast du mich auch in anderer Hinsicht angelogen?«
»Nein. Aber ich habe etwas vor dir versteckt.«
»Und was?«
»Ich habe angefangen, eine Stimme in meinem Kopf zu hören. Mir gefiel die Vorstellung, es müsse sich um deine Stimme handeln, aber es kann sich genauso gut nur um Einbildung handeln. Ich höre sonst nichts. Bis auf jene Nacht, als ich das Heulen eines Wolfs gehört habe.«
»Ist das alles?«
»Ja.«
Er nickte. Dann drehte er sich um und wollte gehen. Als sei nun alles gesagt.
»Machst du dir deshalb keine Sorgen?«, fragte sie verzweifelt. »Wegen der Stimmen in meinem Kopf?«
»Nein.«
Tat er das nicht, weil er sie sowieso loswerden wollte? »Wirst du mich fortschicken?«
»Du bist mein Weib.«
Darauf wusste sie nichts zu erwidern. Ehe ihr eine Antwort darauf einfiel, war er bereits verschwunden.
Talorc lief in seiner Wolfsgestalt durch den Wald. Er war im See geschwommen, um seine vom Whisky vernebelten Sinne zu klären. Aber es hatte nicht gegen die Verwirrung geholfen, die ihn angesichts der Geständnisse seiner Frau erfasst hatte.
Sie hatte ihn ebenso belogen, wie Tamara einst seinen Vater belogen hatte. Nur dass sein Vater viel zu spät das wahre Wesen seines Eheweibs erkannt hatte. Talorc war sich nun allzu sehr der klugen Schachzüge seiner Frau bewusst, mit denen sie ihn manipuliert hatte. Aber er verspürte nicht den Wunsch, sie deshalb zu verbannen.
Das Problem lag vor allem darin begründet, dass er, wie seine Männer, seine Ehefrau dafür bewunderte, wie sie ihre Schwäche vor ihm und allen anderen hatte verbergen können. Er verspürte sogar einen gewissen Stolz, weil sie so talentiert war. Sie las von den Lippen der Menschen ab und sprach ganz normal, weshalb niemand auf die Idee gekommen war, sie könnte vielleicht nicht hören. Seine Bewunderung widersprach dem Gefühl, um etwas betrogen worden zu sein, das ihm die Luft abschnürte, und trotzdem konnte er keines von beidem abstreifen.
Erst recht konnte er sich nicht von dem Wunsch – nein, dem Verlangen! – befreien, seine Frau bei sich zu behalten. Wenn er Abigail von der Burg der Sinclairs vertrieb, verbannte er zugleich jede noch so kleine Hoffnung auf Kinder, die sein Chrechteerbe in die nächste
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