Im Bett mit
unruhige Leben aller Tiere, die die Liebe erschuf, um ihr zu dienen. Ich bin einsam und dazu bestimmt, unaufhörlich zu erobern. Daher mein notgedrungen blutdürstiges Verhalten.«
Mit Sidi begann die Reihe der um einiges jüngeren Männer in Colettes Leben. Sie machte es dem verflossenen Willy zum Vorwurf, dass er sie gehindert habe, eine Jugendliebe mit einem Altersgenossen zu erleben. Colette, deren sinnliche Prägung durch einen um vieles älteren Mann erfolgt war, fühlte sich gegenüber ihrem neuen Geliebten immer als ältere Frau. Die Affäre zwischen den beiden war eine leidenschaftsdurchtränkte Angelegenheit. Eifersuchtsattacken wechselten mit Seitensprüngen, und das auf beiden Seiten. Schließlich doch der Entschluss zu heiraten: Colette sah Mutterfreuden entgegen, und trotz aller Zweifel, ob sie überhaupt zur Mutter tauge, war das Haus voll freudiger Erwartung. Als die kleine Colette schließlich da war, wurde die Mutter für eine ganze Weile sesshaft, was auf Sidi allerdings nicht zutraf. Er beanspruchte auf eine eher rüde Weise seine Unabhängigkeit just zu einem Zeitpunkt, als Colette bereit war, die ihre aufzugeben.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs brachte für das Ehepaar gravierende Veränderungen, band sie aber auch für eine Weile intensiver aneinander. Sidi befand sich im Verlauf des Kriegs mehrmals an vorderster Front, unter anderem im Hexenkessel von Verdun, Grund genug für Colette, wie so viele andere Soldatenfrauen um ihn zu zittern. Es gelang ihr, ihn heimlich an der Front zu besuchen. Colette wohnte zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Tochter auf einem Jouvenel’schen Landsitz, einem ziemlich unwirtlichen »Schloss aus rosa Stein«. Renaud, der jüngere Sohn aus Sidis erster Ehe, berichtete von einem Besuch: »Colette hat das größte Bett der Welt. Es muss extra für sie gemacht worden sein. Das ganze Zimmer ist mit rosa Seide tapeziert, auch die Decke. Es sieht aus wie eine große rosafarbene Bonbonschachtel.« Offenbar benützte das Ehepaar kein gemeinsames Schlafzimmer. Sidi bewohnte einen Raum darüber und stieg in Colettes Zimmer hinunter, wenn er die Nacht mit ihr verbringen wollte. Er war inzwischen als Kabinettchef nominiert worden, und Colette arbeitete an verschiedenen Buchprojekten. Im ersten Friedensjahr entstand einer ihrer bedeutendsten Texte,
Mitsou
, und danach
Chéri
, die »Geschichte einer alternden Frau am Ende ihrer Leidenschaften und eines jungen Mannes am Beginn der seinen«. Ja, und dann trat Chéri auch leibhaftig in Colettes Leben, in Gestalt von de Jouvenels ältestem Sohn Bertrand. Sidi goutierte weder das Buch noch die Vorstellung einer Affäre seines Sohnes mit seiner Noch-Ehefrau. »Kannst du denn nicht einmal ein Buch schreiben, das nicht von Liebe, Ehebruch, halb inzestuösen Begegnungen, Ehe und Trennung handelt?«, soll er Colette in einem Brief genervt gefragt haben. Für Colette begann sich die bevorstehende Scheidung mehr oder weniger deutlich abzuzeichnen. »Ich weiß, dass das Haus, in das ich zurückkehren werde, leer stehen wird«, stellt sie nach einem Urlaub in der Provence traurig fest.
Schließlich ging auch Bertrand-Chéri seiner Wege, und die vor sich hin alternde Colette fand sich resignierend zeitweise in einem einsamen Bett wieder. In dieser Epoche trat sie in der Rolle der Léa in der Bühnenfassung von
Chéri
auf und schrieb für Maurice Ravel das Libretto zu
L’enfant et les sortilèges
.
Ihre Tournee in der Rolle der Léa wurde ein großer Erfolg. »Wer Colette nicht in Chéri auf der Bühne gesehen hat, versäumt nicht nur ein großes Vergnügen, sondern wird auch darum gebracht, dieses berühmte Werk wirklich zu verstehen«, schrieb eine Kritikerin begeistert. In dieser Zeit lernte Colette auch den damals 35-jährigen Maurice Goudeket kennen, den Sohn eines Diamantenhändlers aus Amsterdam, der ihr dritter und letzter Ehemann und der treue Gefährte ihrer Leidenszeit werden sollte. Colette war begeistert. »Der Knabe ist ein Gedicht«, schrieb sie enthusiastisch, und sie werde alles tun, um ihn zu halten. Offenbar war sie über sich selbst erstaunt, wie heftig sie sich in ihn verliebt hatte. Jetzt, als geschiedene Baronin de Jouvenel, verkehrte sie mit der gesamten intellektuellen Crème de la Crème von Paris, teilte mit männlichen und weiblichen Geistesgrößen ihr Bett und hatte in Maurice schließlich den Mann ihres späten Lebens gefunden. An seiner Seite lernte sie den Süden Frankreichs näher kennen. In Paris
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