Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bett mit

Im Bett mit

Titel: Im Bett mit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Fuerstauer
Vom Netzwerk:
weitläufigen Garten sowie den Büchern, die sie angeblich schon in sehr frühem Alter verschlang. Mit sieben Jahren vertiefte sie sich in die Größen der französischen Literatur, und während sie träumerisch in ihrem Kinderbett lag, spann sie die Geschichten weiter, die ihre Fantasie beschäftigten. Während ihre älteren Geschwister in einem Internat lebten, um sich eine höhere Bildung anzueignen, besuchte sie als Nesthäkchen die Grundschule, um so bei ihren Eltern bleiben zu können.
    Sie war, wenn wir die Darstellung in ihrem Erstlingswerk
Claudine à l’école
betrachten, ein keckes, wagemutiges Kind, das sich mit regem Interesse am Unterricht beteiligte und mit einer wachen Neugierde begabt war für alles, was Leben hieß. Sie musste zusehen, wie die Familie immer mehr verarmte. Es muss für sie ein schmerzlicher Schlag gewesen sein, ihren angestammten Wohnsitz aufzugeben und in das benachbarte Châtillon-sur-Loing zu übersiedeln, wo Achille, der ältere Halbbruder Colettes, eine gut gehende Arztpraxis hatte. Gabrielles Leben nahm eine unerwartete Wendung, als sie sich, knapp sechzehnjährig, in eine echte Pariser Boulevardgröße verliebte, die im Haus ihrer Eltern verkehrte. Henry Gauthier-Villars war ein erfolgreicher Buchhändler und Kolumnist, Theaterkritiker und Frauenheld. Seine Texte signierte er mit dem Pseudonym Willy. Er schrieb nicht nur selbst, sondern ließ auch schreiben. Eine ganze Weile beschäftigte er ein Heer von mehr oder weniger begabten Ghostwritern. Gabrielle träumte in ihrem Jungmädchenbett von dem schwergewichtigen Mann mit dem hohen Zylinderhut, der, um vieles älter als sie, ihre erotische Fantasie wachgeküsst hatte. Später sagte sie über ihn: »Er war nicht unförmig, er war gewölbt.« Als Sechzehnjährige schrieb sie ihm ungebärdige kleine Liebesbriefe, in denen es unter anderem hieß: »Ich würde Ihnen alles sein, Tochter, Geliebte, Frau!« Das ungleiche Paar verlobte sich, nachdem in Paris wie in Châtillon von dem skandalösen Verhältnis gemunkelt wurde. Jahre später war aus einer angeblichen Liebesheirat eine Hassehe geworden. Willy war eine stadtbekannte Persönlichkeit und hielt nicht das Geringste von ehelicher Treue. Seine junge Frau spürte ihn bei seinen Seitensprüngen auf und revanchierte sich, indem sie ihrerseits mit seinen diversen Eroberungen ins Bett schlüpfte. Es stellte sich heraus, dass sie mindestens so bereit war, Frauen zu lieben wie Männer, was zu jener Zeit nicht nur für ihren Gatten ein Skandal war. Immerhin war Paris der rechte Ort für Gabri, wie sie sich damals noch nannte, um erwachsen zu werden. Willy verstand sich darauf, das begabte Kind, das er zur Frau gemacht hatte, in seine »Literaturfabrik« einzufügen, nahm sie in Theater und Konzerte mit und ließ sie davon Kritiken und Kurztexte schreiben, die er unter seinem Namen herausbrachte. Schließlich animierte er sie, ihre Schulerinnerungen aufzuschreiben. So kam es zu ihrem denkwürdigen Erstlingswerk,
Claudine à l’école
, das sich bei einem ersten Probelauf laut Willy als zu wenig erotisch erwies. Willy verstand, dem abzuhelfen, indem er den Text mit einiger zusätzlicher Würze versah. Danach ging es mit der Karriere des Ehepaars Gauthier-Villars steil bergauf. Sie verkehrten in so gut wie allen namhaften Salons, und nicht nur in diesen, sondern oft genug auch in den Schlafzimmern ihrer Gastgeberinnen. Das Signet Willy geisterte durch alle führenden Blätter von Paris, und bald trat auch Colette Willy als selbstständige Autorin ins Licht der Öffentlichkeit.
    Claudine erwies sich als geeignet für einen Fortsetzungsroman in mehreren Bänden, denn Madame Colette verstand sich hervorragend darauf, die Leser durch meist verschlüsselte Charakterdarstellungen lebender Personen zu verblüffen.
    Die häusliche Harmonie des Paares bestand eher in der gemeinsamen Arbeit als im gemeinsamen Ehebett. Willy kommentierte ein Foto, das sie beide gemeinsam an einem überdimensionalen Schreibtisch zeigt, mit den Worten: »Vollkommene Eintracht, geteilte Arbeit! Hausfrieden – Mist!« Unterdessen arbeitete Colette an immer neuen Claudine-Geschichten, während Scharen von angeblichen oder echten Schulmädchen an ihre Tür klopften, um ein Autogramm vom »großen Monsieur Willy« zu ergattern. Schließlich brachte Colette, des Treibens müde, ihr erstes Buch unter eigenem Namen heraus:
Dialogues de bêtes
. »Eichhörnchen im Käfig«, schrieb sie über ihr Verhältnis zu Willy und:

Weitere Kostenlose Bücher