Im Bett mit
vertauschte das Paar zeitweilig aus Gesundheitsgründen die feuchte und zugige Wohnung im »Tunnel« des Palais Royal mit zwei winzigen Zimmern im Dachgeschoß des Hotel Claridge. Colette berichtet, in ihrem Zimmer habe ihr großes Bett kaum genügend Platz gehabt. Wegen ihrer immer bedrohlicher werdenden Arthritis musste sie mehr und mehr Zeit darin verbringen. Der Hoteltischler hatte ihr ihren ersten schwenkbaren Bettschreibtisch gezimmert, mit dessen Hilfe sie in den vielen Stunden, die sie das Bett hüten musste, arbeiten konnte. Ein neuer Roman entstand:
La Chatte
. Diesmal wurde eine für Colette typische Dreiecksgeschichte mit Hilfe der Katze Saha entwickelt. Diese wird von ihrem Besitzer mehr geliebt als dessen junge Frau. Die versucht, das Tier aus Eifersucht zu töten, und wird von ihrem Mann deshalb verstoßen.
1935, als Europa schon vom monströsen Schatten Hitlers bedroht war, starb de Jouvenel, mit dem Colette vor allem wegen ihrer Tochter immer noch in Verbindung stand. Einige Jahre zuvor war schon ihr erster Mann, Willy, verarmt und einsam diesen Weg gegangen. Colette hatte nicht versäumt, ihm einige bissige Kommentare hinterherzuschicken.
Auf einem Höhepunkt ihres Ruhms bewohnte sie nunmehr einige Räume in der Bel Étage des Palais Royal. Von dort aus konnte man schon die düsteren Wolken erkennen, die über dem Himmel von Paris hingen. Die Person Hitlers erschien Colette zwar einigermaßen verdächtig, ihre Begründung hört sich aber doch recht verharmlosend an: »Ein vegetarischer Mann, der mittags nur Haferflocken und abends manchmal ein Ei isst und der mit niemandem schläft, nicht einmal mit Männern …«, gab sie zu bedenken. –
Sie hatte immer mit Tieren gelebt; ihre letzten starben kurz vor Ausbruch des Krieges. Als Paris und ein großer Teil Frankreichs von der deutschen Armee besetzt worden war, brachen für das Ehepaar Goudeket harte Zeiten an. Maurice, der Jude war, musste dauernd auf der Hut sein, um nicht seinen Häschern in die Hände zu fallen, was schließlich doch geschah. Er landete in einem Internierungslager. Freunden, die über gute Kontakte zu den deutschen Besatzern verfügten, gelang es, ihn freizubekommen. Colette versuchte trotz ihres prekären Zustands, der sie jetzt immer häufiger ans Bett fesselte, ihre Beziehungen zu nutzen, um an die notwendigen Lebensmittel zu kommen und vor allem Kohlen für den Winter aufzutreiben. Irgendwann wurde die Spannung zwischen den beiden und die Furcht, eines Tages doch noch in die Hände der Gestapo zu fallen, so groß, dass Maurice die Trennung von Colette in Kauf nahm, um im noch nicht besetzten Süden unterzutauchen. Doch es dauerte nicht lange, so war auch dieses Gebiet in die Hände der Besatzer gefallen.
Maurice kehrte also unter allen erdenkbaren Vorsichtsmaßnahmen nach Paris zurück. Angstvoll wartete das Ehepaar auf die bevorstehende Befreiung der Stadt. Colette schrieb verzweifelt: Sie sei zu müde und verbraucht, um das Ende des Krieges noch zu erleben. Maurice verbrachte seine Nächte am Dachboden des Palais Royal, um eventuellen Durchsuchungen der Wohnung zu entgehen. Da er im Untergrund lebte, fehlte ihm die Zuteilung der Lebensmittelkarten; die Beschaffung von Essen wurde dadurch noch schwieriger.
Das Besatzungsregime brachte für die Angehörigen der schreibenden Zunft weitere Unannehmlichkeiten wie die ungenügenden und willkürlichen Papierzuteilungen sowie die überaus strenge Zensur. Literaten unterstanden auch in Frankreich der Propagandamaschinerie von Goebbels, und wer nicht mit den Wölfen heulte, hatte keine guten Karten, wenn es um die Veröffentlichung seiner Werke ging. Colette, die man wegen ihres Rufes gerne für Propagandazwecke missbraucht hätte, hatte in dieser Hinsicht wenig zu fürchten; ein Umstand, der ihr später von der Résistance zum Vorwurf gemacht wurde. Aber da war ihre Position in der Literaturszene Frankreichs schon so gefestigt, dass ihr selbst derartige Vorwürfe nicht mehr schaden konnten.
Im Januar 1948 war ihr Diwan-Bett umrahmt von einer Barriere roter Azaleen, und jeder Winkel ihres Zimmers mit Geschenken zu ihrem 75. Geburtstag bestückt. Jedermann nannte sie »unsere Colette«, und alle Magazine quollen über von Berichten über sie und Glückwünschen für sie. Sie betrachtete die sich verändernde Welt aus dem Fenster ihres Zimmers im Palais Royal, das in den letzten Jahren ihres Lebens ihr Zuhause war. Vor diesem Fenster verbrachte sie ihre Tage, die Welt kam zu ihr
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