Im Blut vereint
schwach. »Er hat den Rat angenommen.«
Sie blickte ihn fassungslos an. »Aber wir haben ja noch nicht mal die Ermittlung durchgeführt!«
»Ich weiß. So spart unser Mandant eine Menge Geld.«
Kate atmete langsam ein und aus, um sich zu beruhigen. Es half nicht. »Das verstehe ich nicht. Wieso streben Sie jetzt schon einen Vergleich an? Das wirft doch ein schlechtes Licht auf
TransTissue
.«
John legte die Hände vor sich auf die Tischplatte. »Kate, es ist ganz einfach.« Das war offensichtlich ein Rüffel, weil sie es nicht von selbst begriff, sondern erst eine Erklärung brauchte. Sie schluckte ihren Ärger hinunter. John war ihr Mentor, er war stets auf ihrer Seite gewesen, ihm verdankte sie diese berufliche Chance. Nie zuvor hatte er so mit ihr gesprochen. Er hatte sie nie fühlen lassen, dass etwas eine Nummer zu groß für sie sei. Bis jetzt.
War das ein Vorgeschmack auf die Zukunft?
John wies auf das Dokument mit dem blauen Dreieck an der einen Ecke. »Inzwischen haben wir zwei Kläger: Denise Rogers hat ihre Klage heute eingereicht.
TransTissue
möchte nicht in die Schlagzeilen geraten. Die Firma verbucht Rekordgewinne – was bei der aktuellen Wirtschaftslage ein ziemliches Kunststück ist – und ist im Begriff, mehrere Gewebebanken in den USA zu kaufen. Es ist eine Phase des Wachstums für
TransTissue
. Eine aufregende Zeit. Die Firma gilt in der Branche als Marktführer.« Er sprach wie ein stolzer Vater über eins seiner Kinder. »Da liegt es nicht im Interesse des Unternehmens, sich auf einen langwierigen Rechtsstreit einzulassen – auch wenn sie unschuldig sind, wie wir wissen. Bob macht sich Sorgen, dass es die Expansion bremsen könnte.«
»Was sind denn die Bedingungen für den Vergleich?«, fragte Kate mit ausdrucksloser Stimme. Ihr großer Traum war damit geplatzt. Einfach so. Ein Absturz ohne jede Vorwarnung. Ohne Sicherheitsnetz. All die Arbeit, all die Aufregung darüber, an einem Präzedenzfall mitzuwirken – weg damit. Ihr blieb nur, was bisher ihren zähen Arbeitsalltag bei LMB ausgemacht hatte: Familienrechtsfälle.
»Eine großzügige finanzielle Entschädigung der Kläger, verbunden mit einer Geheimhaltungsklausel.« John erhob sich. »Alles Weitere schaffe ich allein, Kate.«
Er lächelte. Kate wusste, dass er seiner Entscheidung so den Stachel nehmen wollte. Sie erwiderte das Lächeln nicht.
»Sie haben gute Arbeit geleistet, Kate. Über Ihren Fehler bei Bob Duggan sollten Sie sich keine großen Gedanken machen. So etwas passiert Ihnen bestimmt nicht noch einmal. Sie lernen schnell.« Einen Moment lang war es still. Offenbar wartete er darauf, dass sie sich für dieses zweischneidige Lob bedankte. Dafür, dass er ihr den stümperhaften Fehler nachsah. Dass er sie nicht den Wölfen vorgeworfen hatte.
Sie stand auf und ging zur Tür. »Also: Der Fall ist abgeschlossen«, sagte sie möglichst leichthin.
Er lächelte erleichtert. »Der Fall ist abgeschlossen.«
Sie legte die Hand auf den Türknauf.
»Und Kate …«
Sie sah sich um.
»Ich rufe Sie an, wenn wieder etwas hereinkommt.« Aber würde irgendjemand in der Kanzlei noch an ihrer Mitarbeit interessiert sein, nachdem John sie von diesem Fall abgezogen hatte? Sie bezweifelte es. Sobald Randall davon erfuhr, würde er sie auf die schwarze Liste setzen. Falls er sie nicht gleich hinauswarf.
»Danke.« Sie schloss die Tür hinter sich und lief wie betäubt den Gang zur Treppe entlang.
Bei Rebecca Mannings Büro stand die Tür offen. Aus dem Augenwinkel sah sie Rebecca am Schreibtisch sitzen. Sie hielt den Kopf mit den glatten blonden Haaren leicht geneigt und den Telefonhörer ans Ohr gepresst, während sie etwas auf einen LMB -Notizblock schrieb.
Kate drückte die Akte
TransTissue
an die Brust und ging weiter. Sie lächelte bitter. Rebecca hatte ihr dieses Schicksal vorhergesagt. Auch wenn sie es anders gemeint hatte. John Lyons hatte sie tatsächlich flachgelegt. Er hatte sie k . o. geschlagen.
Kate fragte sich, ob es ihm wenigstens Spaß gemacht hatte.
34
»Verdammt«, murmelte Kate, während sie in ihre Einfahrt bog, und sah ein weiteres Mal auf die Uhr an ihrem Armaturenbrett. 16:44 Uhr. Sie kam nur vierzehn Minuten zu spät, aber den beiden Damen, die auf ihrer Veranda warteten, war das sicher wie eine Ewigkeit vorgekommen.
Sie stieg aus und eilte auf das Haus zu. Ihr Trenchcoat flatterte im Wind. Es war einer dieser ungewöhnlich warmen Nachmittage im Mai, wenn die Sonne sich plötzlich darauf besann,
Weitere Kostenlose Bücher