Im Blutkreis - Roman
musste.
Er nahm den Hörer ab und versuchte, Woods auf seinem Handy zu erreichen. Die Mailbox. Er hinterließ eine Nachricht, in der er ihn über seine Rückkehr informierte und ihm die Nummer des Hôtel de la Clef gab.
Anschließend wählte er die Nummer der Auskunft und ließ sich mit der Telefonzentrale des Institut Pasteur verbinden.
»Professor Derenne bitte…«
»Bleiben Sie dran.«
Die Telefonistin verband ihn mit dem Virologen.
»Professor Derenne?«
»Am Apparat.«
»Mein Name ist Falh, ich bin Journalist«, begann Nathan ohne weitere Höflichkeitsfloskel. »Ich komme gerade aus Afrika zurück und möchte mich mit Ihnen über …«
»Wenn Sie mich interviewen wollen, sollten Sie sich besser an die Presseabteilung wenden«, unterbrach ihn der Forscher schroff.
»Es geht nicht um ein Interview, ich muss dringend mit Ihnen sprechen. Ich habe…«
»Und ich habe einen sehr gedrängten Terminkalender, Monsieur. Rufen Sie meine Sekretärin an, sie müsste am frühen Nachmittag wieder zurück sein. Auf Wiedersehen …«
Der Arzt wollte auflegen, als Nathan in den Hörer sprudelte: »Zaire 1994, eine sterbende junge Frau in der Nähe des Camps von Katalé. Sagt Ihnen das was?«
Nach kurzem Schweigen fragte Derenne leise: »Was haben Sie gesagt?«
»Ich komme gerade aus Goma. Ich habe Informationen für Sie über die Todesursache dieser Frau.«
»Ich höre …«
»Nicht am Telefon. Wann können Sie mich empfangen?«
»Sind Sie in Paris?«
»Ja.«
»In einer Stunde … Würde Ihnen das passen?«
»Das passt ausgezeichnet.«
Alain Derenne, um die fünfzig, war ein großer, schlanker Mann mit rotem, lockigem Haar und gewölbter Stirn. Seine ovale Brille und sein weißer Kittel, unter dem eine Krawatte in gedeckten Farben hervorschaute, verliehen ihm das kühle und feierliche Aussehen des Bosses, der es gewohnt ist zu befehlen und der keine Zeit zu verlieren hat. Dennoch nahm Nathan in dem schwarz umrandeten, kristallklaren Blick des Professors einen fiebrigen Glanz wahr. Er begriff, dass er es mit einem Eliteforscher zu tun hatte, einem reinen Wissenschaftler, der sein Leben zwischen Labors und undurchdringlichen Wäldern auf der Jagd nach den ältesten und furchtbarsten Feinden des Menschen verzehrt hatte.
»Danke, dass Sie mich empfangen.«
»Bitte. Kommen Sie herein…«
Nathan trat in das Büro. Ein stickiger Raum, in dem zwischen den übervollen Bücherregalen und den Aktenbergen, die sich auf dem breiten Glasschreibtisch türmten, ein starker Tabakgeruch
in der Luft hing. Ein großes Fenster an der hinteren Wand bot einen weiten Blick über das Institutsgelände, ein architektonischer Komplex, in dem zwischen grünen Alleen alte Gebäude aus roten Backsteinen mit makellosen moderneren abwechselten. Nathan spürte, dass sein Puls sich beschleunigte. Er befand sich an einem heiligen Ort des Wissens, und der Mann, der ihm gegenüberstand, hatte vermutlich die logischen Antworten auf die entscheidenden Fragen, die ihn quälten.
Sie setzten sich an einen Tisch. Derenne legte den Hörer neben das Telefon, damit sie nicht gestört wurden, und kam sofort zur Sache:
»Wie kommt es, dass Sie über diese Angelegenheit informiert sind?«
»Ich habe den Bericht gelesen, den Sie nach dem Tod dieser Frau geschrieben haben.«
»Der Bericht … Schön, also was ist passiert, welche Informationen haben Sie? Hat es andere Fälle gegeben?«
Nathan hörte aus der Stimme des Virologen eine gewisse Erregung heraus, die mit jeder Sekunde zunahm.
»Das kann man so nicht sagen. Ich bitte Sie um ein wenig Geduld, Professor. Ich werde Ihnen alles erklären, aber vorher müssen Sie mir helfen, ein paar Punkte meiner Recherchen zu klären.«
Derenne wirkte überrascht, dann streckte er den Arm nach seinem Päckchen Gitanes aus.
»Ich höre …«
Er zündete sich eine Zigarette an.
»Sie schienen sich damals Ihrer Diagnose nicht ganz sicher zu sein …«
»Das stimmt«, sagte Derenne leise und ließ eine Rauchspirale aufsteigen. »Ich erinnere mich sehr genau an diesen Fall. Die Symptome, die die Patientin zeigte, entsprachen in allen Punkten denen, die durch das Ebolavirus hervorgerufen werden, wie sie 1976 in Yambuku und Nzara beobachtet wurden.
Aber gewisse atypische klinische Symptome haben mich veranlasst, Vorbehalte zu äußern…«
»In dem Bericht erwähnten Sie eigenartige Hautläsionen …«
»Ja. Die junge Frau war mit dicken, erhabenen, gelblichen Bläschen bedeckt, die eher an
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