Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)
August besuchte er eine Bildergalerie, um dreiTage später anläßlich eines Herrenabends in einer geschmackvoll möblierten und dekorierten Lokalität eine Tänzerin aufs denkbar gewinnendste auftreten zu sehen.
Er lebte weiter und war bald entzückt, bald verstimmt. War er nicht gut aufgelegt, so versuchte er so rasch wie möglich in gute Laune zu kommen, und war er glücklich, so vermochte er nicht zu verhindern, mißvergnügt zu werden. In dieser Hinsicht ging es ihm, wie es den meisten andern geht. Er sah eigentlich immer eher gärtner- oder jägermäßig als commishaft aus.
Eines Tages, ich meine, um in bezug auf Zeitangabe bei der Genauigkeit zu bleiben, wurde er am elften September einer Frau vorgestellt, die sich bei seinem Anblick den Ausruf gestattete, er sehe wirklich nicht wie ein aufsteigender Stern am Himmel der Dichtkunst aus. Auf seine Frage, wie er aussähe, erwiderte sie: »Lediglich wie ein beliebiger, vernünftiger Mensch«, was eine Aufrichtigkeit war, die denjenigen, an die sie adressiert worden war, in nicht geringe Verlegenheit setzte, indem wir ja womöglich so ziemlich alle lieber einen kränklichen als kerngesunden Eindruck machen möchten.
Ihm war's beschieden, am fünfzehnten genannten Monates in einem nach nichts Auffallendem aussehenden Atelier zu stehen, wo ihn ein Zeichner von den Beweisen seines Schaffens Kenntnis nehmen ließ. Mit diesem Zeichner unternahm er am achtundzwanzigsten Oktober einen gemeinsamen Spaziergang, bei welcher Gelegenheit beide vorwiegend über Beziehungen zu Mädchen sprachen.
Am neunten November nahm ihn der Ankauf einer Mütze oder Kappe in Anspruch. Eine Kleiderhandlung lieferte einen vortrefflich sitzenden Mantel.
Zum erstenmal in seinem bisherigen Leben wagte er am einunddreißigsten Dezember einer jungen, hübschen Frau, die er aus einem Gesellschaftsanlaß heimbegleitete, vor der Türe des Hauses, worin sie wohnte und wo sie sich gute Nacht sagten, die Hand zu küssen.
An diese tapfere Tat dachte er mit unverminderter Genugtuung noch im darauffolgenden Frühling. Mit Patronzigarrenrauchen war's einstweilen aus. Er trat in Stellung.
(1928/29)
Das Krankhafte
A ls ihn die Kränklichkeit gefangennahm,
belebte ihn ein amüsanter Gram.
Indem jedoch Gesundung zu ihm kam,
stützte er nicht den Kopf mehr in die Hände,
damit er sich von Trau'r umschmeichelt fände
und sich ein Seufzer seinem Mund entwände.
Wie wenn ihm wenig nun am Leben läge,
das Spannende in ihm sich nicht mehr rege,
ging er wie eine Puppe seine Wege.
Mit seinem ritterschauspielhaften Schnäuzchen
glich er gewissermaßen einem Käuzchen
und saß von nun an täglich irgendwo
in denkbar unromantischem Büro.
(1930)
Die Verkäuferin
E ine Verkäuferin gefiel ihrem Chef dadurch, daß sie Geschicklichkeit an den Tag legte.
Er war ein Frühaufsteher, der sich sagte, man müsse die Minuten und Stunden, die kostbar seien, ausnützen.
Eine erkleckliche Anzahl von guten Vorsätzen wohnte in ihm, wie Mieter in einer zufriedenheithervorrufenden Wohnung wohnen. Die Grundsätze schienen an und für sich glücklich zu sein, ihn leiten oder beeinflussen zu können.
Das Geschäft des glücklicherweise noch jungen Mannes besaß etwas Luxuriöses, Elegantes.
Er saß in seinem Bureau und beschäftigte sich angelegentlich mit Warten und an Irgend-etwas-Denken, und indem er wartete und an allerlei dachte, öffneten Kunden die Türe des Ladens, um zu bekunden, daß sie sich für ihn, d.h. für seine Artikel interessierten. Einer kam nach dem andern, und jeder dieser Ankommenden war von der gewinnenden, intelligenten Art, womit er sich empfangen und behandelt sah, angenehm betroffen, derart, daß sich der Inhaber der Waren im Lauf von kommenden und sich wieder entfernenden Wochen gestehen durfte, mit ihm stehe es gut.
In der Tat verhielt sich dies so.
Zu den Käufern in denkbar bestem Einvernehmen stehend, befestigte sich die Verkäuferin im Vertrauen ihres Prinzipals von Monat zu Monat mehr, bis sich der Genannte fragte, ob er sie liebe und er sich erlaubte, die einladende Frage zu bejahen.
Sein Herz war sowohl ein anordnendes Chefs- wie schüchternes, lispelnd bittendes Jünglingsherz.
Vor dem Schaufenster gingen Leute allerlei Charakters behend hin und her.
Wagen fuhren vorüber, und indem sie dies taten, fand der Verliebte Gelegenheit, seine Untergebene zu ersuchen, in gewissem Sinn seine Vorgesetzte sein zu wollen, und weil er's nett ausführte, ihm hiebei nichts mißlang,
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