Im Bus ganz hinten
selbst zu gehen. Ich wurde immer wütender. Deshalb riss mir jetzt der Geduldsfaden komplett: Ich packte ihn am rechten Arm und verpasste ihm eine ordentliche Schelle mitten ins Gesicht. Mir rutschte förmlich die Hand aus. In der Sekunde, als es knallte, tat es mir auch schon wieder schrecklich leid. G-Hot wehrte sich nicht. Ich war geschockt: von mir selbst und der ganzen Situation. Deshalb verließ ich sofort den Club.
Auf dem Weg nach Hause klingelte schon mein Telefon. G-Hot war dran: Er schrie und heulte.
»Wie konntest du mir nur vor allen Leuten eine reinhauen? Bist du bescheuert?« Ich versuchte, ihn zu beruhigen, doch es half nichts.
»Weißt du, was du bist? Ein gottverdammter Hurensohn!«, brüllte er mich an. Und das war mir zu viel. Ich legte auf. Okay, ich hatte ihn angemault und ihm eine Schelle verpasst, und das tat mir inzwischen auch tierisch leid. Aber der Spruch über meine Mutter ging ja mal gar nicht. Selbst wenn ich sie nicht besonders leiden konnte, so etwas wollte ich mir nicht sagen lassen. In meinem Kopf machte es so laut »Klick«, dass ich selbst vor dem Geräusch erschrak. Ich war so wütend wie seit Jahren nicht mehr. Den fick ich jetzt richtig, dachte ich mir und fuhr zu seiner Wohnung. Ich versteckte mich in einem Busch und wartete, dass G-Hot nach Hause kommen würde, und dabei fühlte ich einen Hass in mir, den ich einfach nicht mehr kontrollieren konnte. Als er mit seinem Wagen vorfuhr, sprang ich aus dem Gebüsch.
»Keiner nennt mich Hurensohn, verstehst du?«, schrie ich ihn an. Ich glaube, meine Stimme überschlug sich dabei ein paarmal. Ich schlug ihm so oft in die Fresse, bis ein Zahn fehlte und sein linkes Auge anschwoll und ganz blau wurde. Er konnte sich nicht wehren. Und während ich weiter auf ihn einschlug, fragte ich mich: »Wieso verprügelst du das arme Schwein eigentlich? Es wird ohnehin nichts ändern. Wieso bist du so ein Idiot?« Ich konnte nicht anders. Meine Aggressionen übermannten mich einfach. Es war, als müsste ich die Wut meines ganzen Lebens herauslassen.
Und dann zuckte ich zusammen: Vor meinem inneren Auge sah ich plötzlich meinen Vater, wie er früher, als ich noch ein Kind war, auf meine Mutter einprügelte. Oh, mein Gott! Ich wollte auf keinen Fall so werden wie er. Ich erschrak vor mir selbst und hörte auf, G-Hot zu schlagen.
Ich sah ihn auf dem Boden liegen und bluten, und auf einmal tat er mir ganz schrecklich leid. Ich nahm ihn in den Arm und wurde von einer Sekunde zur nächsten vom Schläger zum Seelentröster: »Hör zu, wenn dir das Rap-Ding zu viel wird, dann lass es bleiben. Ich hab das Gefühl, du bist dem Ganzen nicht gewachsen«, redete ich ihm zu. Er schluchzte: »Ich pack das. Ich pack das. Glaub mir!« Das Blut lief ihm aus dem Mund, und sein Gesicht war verheult. Ich wollte ihm gern glauben, aber ich hatte diese Sprüche von ihm schon viel zu oft gehört.
Wenige Tage später bekam ich mit, dass Spaiche G-Hot hinter meinem Rücken bei Aggro gesignt hatte. Es war seine Chance, um groß rauszukommen – dumm nur, dass er sich mit einem Typen namens Kralle zusammentat und ohne das Wissen der Plattenfirma den Track »Keine Toleranz« ins Internet stellte. Einen extrem schwulenfeindlichen Song, der offen zur Gewalt gegenüber Homosexuellen aufrief. Darin rappte er Zeilen wie: »Keine Toleranz, wir dulden keine Schwuchteln. Nie wieder weggucken, respektieren und nicht anbrüllen. Wir müssen reagieren. Lasst uns handeln!« Das ging natürlich gar nicht. G-Hot war von einem Tag auf den anderen der Buhmann des deutschen Hip-Hop.
Alle waren jetzt gegen ihn, und bei Aggro wurde er mit sofortiger Wirkung entlassen.
Schlägerei im Q-Dorf!
Im Hip-Hop bekämpft man sich am liebsten mit Worten. Und wenn man ganz oben ist, dann wird man natürlich von weiter unten angefeindet. Die Kleinen schreiben Diss-Tracks, in denen sie dich aufs Übelste beleidigen, und hoffen dann auf eine Antwort von dir. Am besten soll ganz Hip-Hop-Deutschland über die Sache sprechen, damit die kleinen Idioten ein Stück von deiner Berühmtheit abbekommen.
Meinen ersten richtigen Rap-Beef hatte ich mit Eko Fresh. Vor Ewigkeiten hatten Bushido und ich den Kölner mal bei einem Berliner Radiosender beleidigt. Und jetzt wollte der sich rächen: mit einem Internet-Track gegen alle Rapper in Deutschland. Er nannte ihn »Die Abrechnung«. Und darin bekam auch ich mein Fett weg – im wahrsten Sinne des Wortes: Eko nannte mich eine »fette Kartoffel« und außerdem
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