Im Dienst des Seelenfängers
Elmo. »Mach endlich deine gottverdammte Arbeit.«
Wir bogen um eine Ecke. Um die Hufeisen unserer Pferde bildete sich ein schwarzer Nebel. Feuchte schwarze Nasen stießen daraus hervor und schnupperten die stinkende Abendluft. Sie kräuselten sich. Vielleicht hatten sie sich ebenso sehr wie ich an das Landleben gewöhnt. Mandelaugen, die wie die Lampen der Hölle leuchteten, wurden sichtbar. Ängstliches Raunen huschte durch die Fußgänger, die uns vom Straßenrand beobachteten. Dann sprangen sie auf, ein Dutzend, zwanzig, fünfmal zwanzig Phantome, geboren aus der Schlangengrube, die Einauge als seinen Verstand bezeichnet. Sie flitzten los, wieselige, zahn- bewehrte, sich windende Dinge, die auf die Menschen von Oar losgingen. Der Schrecken eilte ihnen voraus. Innerhalb weniger Minuten mußten wir die Straße nur noch mit Gespenstern teilen.
Dies war mein erster Besuch in Oar. Ich sah mich um, als wäre ich gerade mit dem Kürbis- wagen eingetroffen.
»Ach, sieh mal an«, sagte Elmo, als wir in die Straße einbogen, wo die Rübenpatrouille für gewöhnlich ihr Quartier aufschlug. »Da ist ja der alte Cornie.« Den Namen kannte ich, den Mann selbst hatte ich noch nicht gesehen. Cornie gehörte der Stall, wo die Patrouille ihre Pferde abstellte.
Ein alter Mann erhob sich von seinem Platz neben einem Wassertrog. »Hab euch schon kommen hören«, sagte er. »Hab getan, was ich konnte, Elmo. Hab ihnen allerdings keinen Arzt beschaffen können.«
»Wir haben unseren eigenen mitgebracht.« Obwohl Cornie alt war und in Laufschritt verfal- len mußte, um noch mithalten zu können, wurde Elmo nicht langsamer. Ich schnupperte in der Luft. Alter Rauch hing darin. Cornie flitzte voraus und um eine Straßenecke herum. Wieselwesen huschten um seine Bei- ne wie Brandung um einen Küstenfelsen. Wir folgten ihm und entdeckten die Ursache für den Brandgeruch.
Jemand hatte Cornies Stall angezündet und war dann über unsere Jungens hergefallen, als sie herauskamen. Die Schweine. Immer noch stiegen Rauchschwaden auf. Die Straße vor dem Stall war mit Verletzten übersät. Diejenigen, die am wenigsten verletzt waren, standen Wache und leiteten den Verkehr um.
Candy, der den Befehl über die Patrouille hatte, kam auf uns zugehinkt. »Wo fange ich an?«
fragte ich.
Er hob den Arm. »Da hinten liegen die schlimmsten Fälle. Fang besser mit Raven an, falls er noch lebt.«
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Raven? Er machte einen so unverletzlichen Eindruck. Einauge zerstreute seine Schoßtierchen. Kein Rebell würde sich an uns anschleichen. Ich folgte Candy zu Ravens Lager. Der Mann war bewußtlos. Sein Gesicht war aschfahl. »Ist er am schlimmsten dran?«
»Der einzige, von dem ich dachte, daß er nicht durchkommt.« »Gut gemacht. Hast die Druckverbände so angelegt, wie ich es dir gezeigt habe, oder?« Ich warf einen kurzen Blick auf Candy. »Du solltest dich auch hinlegen.« Wieder zu Raven. Vorn hatte er fast dreißig Schnitte davongetragen, und einige waren tief. Ich zog einen Faden in meine Nadel ein.
Elmo kam zu uns, nachdem er sich umgeschaut hatte. »Schlimm?« fragte er. »Kann ich noch nicht genau sagen. Er ist voller Löcher. Hat eine Menge Blut verloren. Ein- auge soll mal besser was von seiner Brühe anrühren.« Einauge macht eine Kräuterhühnersup- pe, die den Toten neue Hoffnung gibt. Er ist mein einziger Assistent. Elmo fragte: »Candy, wie ist das passiert?« »Sie haben den Stall angezündet und fielen über uns her, als wir rauskamen.« »Das sehe ich selbst.«
Cornie brummte: »Diese verfluchten Mörder.« Ich hatte allerdings das Gefühl, daß er mehr um seinen Stall als um die Patrouille trauerte. Elmo machte ein Gesicht, als kaute er gerade auf einer unreifen Persimone. »Und keine To- ten? Raven hat es am schlimmsten erwischt? Das ist schwer zu glauben.« »Ein Toter«, stellte Candy richtig. »Der alte Knabe. Ravens Kumpel. Aus dem Dorf.« »Flick«, knurrte Elmo. Flick sollte die Festung zu Deal eigentlich nicht verlassen. Der Hauptmann vertraute ihm nicht. Aber Elmo sah über diese Verletzung der Vorschriften hin- weg. »Wir werden es jemanden stark bedauern lassen, daß er damit angefangen hat«, sagte er. In seiner Stimme schwang kein Gefühl mit. Er hätte auch über den Großhandelspreis von Jamsknollen diskutieren können.
Ich fragte mich, wie Pökel wohl die Nachricht aufnehmen würde. Er hatte Flick gemocht. Darling würde am Boden zerstört sein. Flick war ihr Großvater. »Sie waren nur hinter
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