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Im Dienst ihrer Majestat

Titel: Im Dienst ihrer Majestat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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meiner Kusine Jenny Bray mit, daß sie wahrscheinlich von einem Freund ihres verstorbenen Mannes, einem Regimentskameraden von den Lovatjägern, hören wird. Er hat mich hier oben zufällig beim Mittagessen getroffen und mich mit ihm verwechselt. Die Welt ist klein!
    Die Arbeitsbedingungen sind ausgezeichnet. Wir sind völlig für uns, abseits vom Skirummel, und die Mädchen müssen vernünftigerweise um zehn Uhr abends in ihre Zimmer gehen. Sie sind sehr nett.
    Jetzt aber zum Interessantesten. Der Graf hat tatsächlich keine Ohrläppchen!
    Ist das nicht eine gute Nachricht? Er sieht sehr distinguiert aus mit seinem silbergrauen Haar und hat ein charmantes Lächeln. Schon die schlanke Figur deutet auf aristokratische Herkunft hin. Leider muß er wegen seiner schwachen Augen ständig dunkle Haftgläser tragen, zum Schutz gegen die grelle Sonne. Sein Adlerprofil ist durch einen deformierten Nasenflügel entstellt, was sich aber leicht operativ beseitigen ließe. Er spricht ein makelloses Englisch mit ganz leichtem Akzent; ich bin überzeugt davon, daß wir gut miteinander auskommen werden.
    Nun zur Sache. Vielleicht könnten Sie bei den alten Verlegern des »Gotha« anfragen, ob dort noch irgendwelches Material vorhanden ist, um die Lücken zu ergänzen. Telegrafieren Sie mir alle sachdienlichen Hinweise. Angesichts des fehlenden Ohrläppchens bin ich nun sicher, daß die Herkunft stimmt.
    Das wäre alles für heute.
    Herzlichst
    Ihr
    Hilary Bray.
    PS: Erzählen Sie es nicht meiner Mutter, weil sie sich sonst ängstigen würde, aber wir haben heute hier einen scheußlichen Unfall gehabt. Ein Angestellter, ein Jugoslawe, ist auf der vereisten Bobbahn ausgeglitten, hinuntergesaust und dabei umgekommen. Grauenvoll! Anscheinend wird er morgen in Pontresina beerdigt. Sollten wir einen Kranz schicken?
    H.B.
    Er las den Brief mehrere Male. Ja, das würde den Bearbeitern des Unternehmens »Corona« einiges zu beißen geben. Besonders der Hinweis auf die Beerdigung des Mannes in Pontresina sollte sie veranlassen, sich bei den Behörden nach dem Namen des Toten zu erkundigen. Er war überzeugt, daß dieser Brief geöffnet und fotokopiert würde. Womöglich würde er gar nicht abgeschickt werden. Um das zu verhindern, hatte er die Bemerkung über den »Gotha« eingeflochten, der bisher noch nicht erwähnt worden war. Das würde bestimmt Blofelds Interesse erwecken.
    Er läutete, übergab den Brief zur Beförderung und ging wieder an die Arbeit. Zunächst schnitt er im Badezimmer zwei fünf Zentimeter lange Stücke von dem Plastikstreifen ab. Dann verfertigte er aus dem restlichen, etwa vierzig Zentimeter langen Streifen eine Art Lineal, um seine Lüge glaubhaft zu machen. Schließlich kehrte er zum Schreibtisch und zu den nächsten hundert Jahren der Bleuvilles zurück.
    Als gegen fünf Uhr die Dämmerung hereinbrach, schaltete er das Licht ein und warf noch einen letzten Blick aus dem Fenster. Die Veranda war völlig leer, die
    Kissen für die Liegestühle waren weggeräumt. Von der Station hörte er noch das Summen der Drahtseilbahn. Er schloß gerade das Doppelfenster, als zaghaft an die Tür geklopft wurde.
    Leise sagte er: »Herein.«
    Ruby schlüpfte herein, legte einen Finger auf die Lippen und deutete aufs Bad. Neugierig folgte er ihr, machte die Tür hinter sich zu und drehte das Licht an. Sie war hochrot und flüsterte: »Bitte verzeihen Sie, Sir Hilary. Aber ich muß Sie unbedingt sprechen.«
    »Sehr gern, Ruby. Warum ausgerechnet im Badezimmer?«
    »Natürlich, das können Sie nicht wissen. Es soll zwar ein Geheimnis bleiben, aber Ihnen kann ich es ja sagen. Sie werden mich doch nicht verraten?«
    »Nein, auf keinen Fall.«
    »Also - alle Zimmer haben Mikrophone. Keine Ahnung, wo, aber wenn wir irgendwo zusammengesessen und ein bißchen geschwatzt haben, wußte Miss Bunt sofort Bescheid. Wir glauben, die haben hier auch so eine Art Fernsehen.« Sie kicherte. »Deshalb ziehen wir uns immer im Bad aus. Wahrscheinlich hat das was mit der Behandlung zu tun.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Sir Hilary, was Sie heute beim Essen gesagt haben . . . ich meine, daß Miss Bunt vielleicht eine Herzogin ist . . . Wäre das wirklich denkbar?«
    »Ja«, antwortete er freundlich.
    »Ich war so enttäuscht, daß ich Ihnen meinen Familiennamen nicht sagen durfte. Ich . . . ich heiße nämlich Windsor!«
    »Wie interessant!«
    »Nicht wahr? Daheim war immer die Rede davon, daß wir weitläufig mit der königlichen Familie verwandt sind.« Bond

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