Im Dienste der Comtesse
angrenzende Landschaft. Jetzt jedoch versperrten die Dorfbewohner den Blick. Ehe Pierre etwas tun konnte, zerschmetterten sie die Glastüren und drängten in den Salon. Er hatte Angst, sie können ihre Wut an Mélusine auslassen, doch es schien eher, als hätten sie sich von ihr anstecken lassen.
Mélusine schnappte sich einen der Gobelins vom Fußboden und versuchte, ihn in der Mitte durchzureißen. Ein paar der Dörfler eilten zu ihr und nahmen ihr diese Arbeit ab. Andere fingen an, mit ihren improvisierten Waffen den Salon zu zerstören. Porzellan zerschellte auf dem Fußboden. Federn stoben aus aufgerissenen Kissen auf. Ein Mann mit einer Sense machte sich über die eleganten Möbel her.
Mélusine sah sich um, sie war blass vor Entsetzen. Pierre zog sie hinter seinen Rücken, um sie zu beschützen, aber niemand beachtete sie. Wenig später war der Raum leer, stattdessen ertönten Geräusche aus anderen Zimmern des Hauses, die auf eine weitere Zerstörung hindeuteten.
„Kommen Sie.“ Er zog sie mit sich durch die zerschmetterte Tür und eilte hastig auf die Stallungen zu.
Mélusine geriet auf dem Kies ins Stolpern. Pierre verharrte nur so lange, um den linken Arm stützend um sie zu legen.
„Ich kann selbst laufen! Lassen Sie mich los!“, keuchte sie atemlos.
Er tat, was sie verlangte. „Nicht rennen“, sagte er. „Gehen Sie normal weiter, aber zügig. Wir wollen keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns lenken.“
Zu seiner Erleichterung war das Einzige, was sie im Stall vernahmen, das Zwitschern von Spatzen. Die Vögel flogen auf, als sie eintraten, und nirgends waren Stallburschen zu sehen. Entweder sie nahmen Teil an der Verwüstung oder sie versteckten sich irgendwo. Wie er befohlen hatte, waren die Pferde nicht abgesattelt worden. Er prüfte die Gurte und das Zaumzeug und half schließlich Mélusine beim Aufsitzen.
„Können wir das Dorf umgehen?“, fragte er und schwang sich selbst aufs Pferd.
„Ja, hier entlang.“ Ihr Hut saß etwas schief, sie hatte Federn im Haar, die nicht zu ihrer Frisur gehörten, und ihre Augen waren schreckgeweitet, dennoch schlug sie gefasst einen Weg ein, der vom Schloss fortführte.
Nachdem er beobachtet hatte, wie geradezu rauschhaft sie sich auf die Gobelins gestürzt hatte, war er vollkommen verblüfft, wie beherrscht sie jetzt wirkte. Erneut fragte er sich, warum die Gobelins sie so in Rage versetzt hatten, aber er beschloss, sich erst danach zu erkundigen, wenn sie sich wieder in Sicherheit befanden.
Sie waren gerade auf die Hauptstraße gestoßen, etwa eine Meile vor dem Dorf, als sie in der Richtung, in der das Château lag, eine dünne Rauchsäule aufsteigen sahen.
„Haben sie es in Brand gesetzt?“, flüsterte Mélusine.
„Es sieht ganz so aus, vielleicht zufällig, vielleicht geplant. Wir sollten uns beeilen.“
„Ja.“ Mélusine trieb ihr Pferd an und sprach erst, als sie fast schon Paris erreicht hatten. „Ich habe noch nie einen Aufstand angezettelt“, sagte sie innerlich noch immer aufgewühlt.
„Sie haben ihn nicht angezettelt“, widersprach Pierre. „Sie sind zufällig in ihn hineingeraten.“ Er konnte immer noch nicht fassen, was er erlebt hatte. „Vielleicht haben Sie den Unmut der Dorfbewohner auf das Schloss gelenkt“, räumte er ein. „Aber es wäre ohnehin früher oder später von ihnen gestürmt worden, auch ohne Ihr Zutun.“
„Das arme Haus“, murmelte sie. „Es war nichts Schlechtes daran, es hatte einfach nur den falschen Besitzer.“
„Saint-André ist nicht da“, stellte Mélusine fest. Es war schon Abend, als sie wohlbehalten in der Place Vendôme eintrafen, und sie hatten zuerst in der ersten Etage nachgesehen, ehe sie hinauf in den blauen Salon gingen. Der Marquis war nirgends aufzufinden.
„Es hat ganz den Anschein“, stimmte Pierre zu.
„Wo ist er?“ Sie zog sich die Handschuhe aus. „Machen Sie jetzt keine Ausflüchte und kommen Sie mir nicht damit, Sie könnten nicht für ihn sprechen oder wüssten nicht, wo er sich im Moment aufhält. Wo wollte er hin?“
„Nach Versailles“, gab Pierre nach einer Weile zu.
„Nach Versailles !“ Mélusine starrte ihn ungläubig an. „Etwa, um Séraphin aufzusuchen? Sie selbst haben mich doch gewarnt, er dürfte sich keiner Herausforderung stellen, solange er noch geschwächt von seinem Gefängnisaufenthalt ist. Und Sie haben ihn so einfach gehen lassen?“
„Er lässt sich auf keine Herausforderung ein“, wehrte Pierre ab. „Aber es wird interessant
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