Im Dienste Der Koenigin
dass der junge König regelrecht gemütskrank wurde. Anna und der Kardinal waren ernsthaft besorgt; und den Leuten am Hof, die sich zuerst im Stillen über den Liebeskummer des Monarchen amüsiert hatten, verging in Kürze das Lachen. Selbst Céleste drang nicht mehr zu Ludwig durch.
»Die Ärzte wissen sich keinen Rat mehr, wie sie dem König helfen sollen«, schilderte Céleste besorgt ihrer Schwester Marie die Lage. »Seine Majestät bleibt in seinem seidenen Himmelbett liegen, isst und spricht nicht, sondern starrt nur teilnahmslos zur Decke. Er magert ab und wird immer schwächer. Die Sache beginnt allmählich bedenklich zu werden. Königin Anna ist verzweifelt.«
Der Erste Königliche Leibarzt »wagte« schließlich auf Drängen der Königinmutter eine Diagnose. Sie war keineswegs überraschend und wurde auch von niemandem in Zweifel gezogen: »Seine Majestät ist schwer liebeskrank.«
Marie mokierte sich über den etwas aufgeblasenen Doktor.
»Um das festzustellen, muss man kein jahrelanges Studium der Medizin absolviert haben. Abhilfe weiß er natürlich keine«, spottete sie so laut, dass viele am Hof es hörten und dem Medicus schnellstens hinterbrachten.
Und wieder war es »die Chevreuse«, die ihren gesunden Menschenverstand zu Hilfe nahm und ihrer Freundin Anna folgende Therapie empfahl: »Es wäre immerhin einen Versuch wert, Madame, den unglücklich Liebenden zu erlauben, einander Briefe zu schreiben. Die Trennung ist zu abrupt erfolgt und war daher zu schmerzlich für die zarten Gemüter der zwei jungen Menschen.«
Anna und Kardinal Mazarin diskutierten den Vorschlag stundenlang. Aber zum Nachgeben konnten sie sich - noch
nicht - entschließen, obgleich es Anna fast das Herz brach, sooft sie dem zu Tode betrübten Ludwig ins Gesicht blickte. Am liebsten hätte sie das gesamte politische Manöver wieder rückgängig gemacht und ihrem Sohn die Freiheit seiner jugendlichen Liebesabenteuer gelassen. Doch sie hoffte, dass auch ihm eines Tages das Schicksal Frankreichs über alles gehen und dass er ihr dann ihre Unnachgiebigkeit in diesem Fall danken würde.
KAPITEL 82
ALS EIN PAAR Wochen ins Land gegangen waren, bemerkten die Ärzte, dass sich nicht viel gebessert hatte, obwohl man dem König inzwischen gestattete, seiner Liebsten zu schreiben. Anna weinte, als sie erfuhr, dass Ludwig sich zwar hin und wieder aus seinem Bett erhob, aber nur, um einen Brief an seine heiß geliebte Maria Manzini zu verfassen. Anschließend vergrub er sich wieder in den Kissen, um todunglücklich ob der Aussichtslosigkeit seiner großen Liebe vor sich hinzubrüten.
»Seine Majestät sieht erbärmlich aus, blass und elend«, informierte Madame de Motteville die übrigen Hofleute, und des Königs Erster Kammerdiener konnte das nur bestätigen. »Sogar seine Wämser und Hosen sind dem König viel zu weit geworden, weil er so gut wie keine Nahrung zu sich nimmt«, flüsterte er der Duchesse Marie de Chevreuse ins Ohr.
Anna sah nur einen Ausweg: Sie musste sich erneut mit ihrer Vertrauten Marie besprechen; die immer noch schöne Herzogin galt als »absolute Expertin in Liebesdingen« und
nahm von sich aus regen Anteil am Geschick des jugendlichen Monarchen.
Wie Anna erwartet hatte, zögerte Marie auch keinen Augenblick, ihre Meinung kundzutun: »Ich denke, man sollte den beiden ein Wiedersehen erlauben - selbst auf die Gefahr hin, dass der König in eine noch größere Depression verfällt. Außerdem müsste man meines Erachtens auf Demoiselle Maria Mancini einwirken.
Wir Frauen besitzen im Allgemeinen einen guten Instinkt für Herzensangelegenheiten, die man begraben muss, weil sie aussichtslos sind. Ich schlage daher vor, dass Ihr, Monseigneur« - sie wandte sich an den anwesenden Kardinal - »Eure Nichte dementsprechend bearbeitet, ehe sie und Seine Majestät, der König, sich ein letztes Mal sehen.«
Mangels einer vernünftigen Alternative nahm man schweren Herzens den Vorschlag Maries an. In der Nähe der Stadt Bordeaux wurde dem unglücklichen Liebespaar ein letztes Zusammensein gewährt. Und zu Annas Überraschung trat genau das ein, was ihre in Fragen zwischenmenschlicher Beziehungen erfahrene Freundin prophezeit hatte:
Demoiselle Mancini - in diesem Falle eindeutig die Klügere - war es, die den endgültigen Schlussstrich unter eine Affäre zog, von der man inzwischen auch schon in Spanien erfahren hatte.
Tief gekränkt hatte es der stolze spanische Monarch aufgenommen, als er von der beleidigenden
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