Im Dunkel der Nacht (German Edition)
»Und die Nägel sitzen noch im Fleisch. Ich sag dir, der Kerl weiß, wie man eine Frau heiß macht.«
»Habe ich schon erwähnt, dass du wirklich krank bist?« Veronica schüttelte den Kopf.
»Ich trage es mit Würde. Und was deinen Polizisten betrifft, der sich mit deinem Vater angelegt hat, das finde ich total süß. Er hat dich beschützt.« Tina ging, und ihre rosa Crocs quietschten bei jedem Schritt.
»Ich brauche keinen Schutz.« Sie hatte sich seit Jahren um sich selbst gekümmert. Dafür brauchte sie niemand anderen.
Tina blieb vor dem Vorhang stehen, hinter dem Arbeit auf sie wartete. Diesmal lag kein Ausdruck der Besserwisserei in ihrem Blick. »Wir alle brauchen manchmal Schutz, Veronica. Sogar du.« Dann ging sie hinter den Vorhang, um sich um den Mann zu kümmern, der sich bei der Gartenarbeit offenbar beinahe den Fuß abgeschnitten hatte. Der Stoff glitt noch einmal zur Seite, und Tina linste heraus. »Habe ich dir übrigens schon gesagt, warum mir die Patientin mit dem Erstickungstod so bekannt vorkam?«
Veronica schüttelte den Kopf.
»Das war Susan Tennant.«
Der Name sagte ihr etwas, aber sie wusste nicht, wohin damit. »Die man woher kennt?«
»Erinnerst du dich nicht mehr an die Krankenschwester, die das Hilfsprogramm für gefährdete Teenager ins Leben gerufen hat? Unten in Oak Park?«
Jetzt klingelte es.
»Wir haben einen Vortrag aus ihrer fortlaufenden Reihe im Radisson besucht«, erläuterte Tina weiter.
Ding, ding, ding. Meine Damen und Herren, wir haben eine Gewinnerin.
Jetzt erinnerte sich Veronica.
Aber Susan Tennant sollte beim Liebesspiel erstickt sein? »Sie machte mir eher den Eindruck, dass es für sie mit, du weißt schon, gegenseitiger Zärtlichkeit einhergehen musste.«
»Ja.« Tina nickte mit großen Augen. »Ich hätte schwören können, dass sie praktisch eine Nonne war. Aber man kennt die Leute eben nie richtig, was?«
»Sieht so aus.« Veronica ging, als die Türen zur Notaufnahme sich öffneten und Matt Cassel mit einer Krankentrage direkt auf Tina zurollte. Selbst vom Schwesternzimmer aus konnte Veronica die Nägel sehen, die senkrecht aus der Brust des Mannes ragten.
Tinas Augen funkelten. Jeder hatte eben seine ganz eigenen Vorlieben.
Lyle sah sich eine Wiederholung der Pressekonferenz von Max’ Schwester an. Würde das denn nie aufhören?
Er verstand jetzt, wieso die Polizei ausgerechnet sie vor der Kamera wollte. Sie konnte Menschen für sich gewinnen und war telegen. Sie wirkte sympathisch.
Zu schade, dass sie nicht übergewichtig war und eine Warze auf der Nase hatte. Dann wäre die Geschichte wohl inzwischen verschwunden gewesen. In den Schatten gestellt vom Mord an Susan Tennant. Zumindest angenommen, die Polizei fand nicht heraus, dass die Fälle in Zusammenhang standen. Vielleicht traf das auch gar nicht zu, vielleicht war alles nur ein riesiger Zufall.
Lyle goss sich einen Drink ein. Es würde alles gut werden. Das Telefon klingelte und er nahm den Anruf so schnell es ging entgegen, damit seine Frau, die bereits ins Bett gegangen war, nicht aufwachte. »Hallo.«
»Mein Preis ist gerade gestiegen«, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung.
Wow. Matt war sich nicht sicher, wie viel mehr er noch ertragen konnte. Die süße kleine Krankenschwester in der Notaufnahme von St. Elizabeth war Max Sheldens Schwester? Was versuchte das Universum gerade mit ihm anzustellen?
Mehr als ein Psychiater hatte ihm gesagt, dass er vor seiner Vergangenheit nicht davon laufen könnte und dass sie ihn letztlich einholen würde. Er hatte geglaubt, das wäre im übertragenen Sinne zu verstehen gewesen. Aber zuerst Susan Tennant und jetzt Max Sheldens Schwester?
Er hatte letzte Nacht einen Alptraum gehabt. Ein Alptraum, in dem er Susan Tennant gefesselt hatte und beobachtete, wie sie an ihrem Erbrochenen erstickte. Er konnte ihre Angst riechen und die Struktur der Seile fühlen, mit denen er sie angebunden hatte. Aber es war nur ein Traum, nicht wahr?
Ob Tennant die Angst der Jungen hatte riechen können, die sie gefoltert hatte? Oder hatte es sie nie berührt? Er würde es niemals wissen, doch er hoffte, dass seine Erinnerungen an sie ihr direkt in die Hölle nachfolgen würden.
Aber jetzt war Max’ Schwester direkt vor seiner Nase. Was hatte das zu bedeuten? Vielleicht musste er wegen Veronica nichts unternehmen. Vielleicht würde sich darum ebenfalls das Universum kümmern.
Nachdem ihre Schicht beendet war, wollte Veronica nichts weiter als in ihre
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