Im Dunkel der Nacht (German Edition)
Schutzschild. Wie für die meisten Polizisten, Feuerwehrleute und Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Wenn man jeden Tag mit Tragödien und dem Müll konfrontiert war, den sich Menschen gegenseitig antaten, musste man sich irgendwann entscheiden, ob man lachen oder weinen wollte. Manchmal griff man auch auf den Alkohol zurück. Selbst von Drogenkonsum hörte man, vor allem, was Beruhigungstabletten anging. Wutanfälle standen auf der Hitliste auch weit oben. Zach entschied sich immer dafür zu lachen. Oder zumindest dafür, schlechte Witze zu reißen, über die dann hoffentlich jemand anderer lachen würde.
»Wir sind ganz Ohr«, versicherte Frank Klein Hillary.
»Ihr Trunkenbold ist die Treppe nicht alleine hinuntergefallen. Er hatte Hilfe dabei.« Sie gab ihnen ein Zeichen, ihr zur Leiche zu folgen, und zeigte dann die Stufen hinauf. »Die Flugbahn ist vollkommen falsch. Wäre er ohne Zutun gestürzt, dann wäre er viel näher an der letzten Stufe aufgekommen. Um dort zu landen, wo er jetzt liegt, muss jemand nachgeholfen haben.«
Der Gestank wurde mit jedem Schritt, den sie auf den Körper zu machten, schlimmer. »Betrunken war er aber ganz sicher.«
Wie viele Stunden hätte es wohl gedauert, bis George Osborne den Rausch der letzten Nacht verdaut gehabt hätte? Zach war sich unschlüssig. »Wie lange liegt er schon hier?«
Klein Hillary musterte ihn für einen Moment.
»Vielleicht möchten Sie warten, bis ich Ihnen erzählt habe, was ich weiß, ehe Sie Fragen stellen. Das könnte uns allen eine ganze Menge Zeit sparen.«
Sie klang wie ein ungeduldiger Grundschullehrer. »Kein Problem.« Er steckte die Hände in die Taschen und wartete ab.
»Ihr Freund hier wurde nicht nur die Treppe hinabgestoßen, sondern verbrachte vorher auch noch einige Augenblicke mit seinem ungebetenen Gast.« Klein Hillary ging in die Hocke und hob Osbornes Hemd an. »Sehen Sie diese Prellung? Das ist der Abdruck eines Stiefels oder vielleicht eines Halbschuhs. Wir ermitteln jedenfalls die Schuhgröße.«
»Jemand hat ihn verprügelt und anschließend die Treppe hinuntergeworfen?« Frank ging neben ihr in die Hocke und blickte die Stufen hinauf.
»Ich bin ziemlich sicher, dass man ihn bewusstlos geschlagen, die Treppe hinaufgeschleift und anschließend von dort oben hinuntergestoßen hat. Sehen Sie sich die Schuhe an. Seine Absätze sind hinten abgewetzt. Jemand hat das hier inszeniert. Man wollte, dass wir hierherkommen, den Alkohol riechen, den Kopf schütteln und wieder abziehen.« Klein Hillary stand auf und sah Zach an. »Wollen Sie jetzt Fragen stellen?«
»Dann wurde mein Vater also ermordet?«, fragte eine Stimme hinter ihm. Das ersparte die Frage danach, wer die Leiche gefunden hatte. Die Antwort stand im Türrahmen zur Küche und trug noch ihre Schwesterntracht von letzter Nacht.
Er machte sich Sorgen. Das war eine Menge Verlust in kurzer Zeit für eine alleinstehende Frau. Wie viel würden diese schmalen Schultern tragen können?
Sie kam in den Raum und wandte sich an Klein Hillary.
»Sie gehen davon aus, dass mein Vater umgebracht wurde?«
»Ich befürchte es. Es tut mir sehr leid.« Klein Hillarys Bedauern wirkte aufrichtig. Vermutlich war es das auch. Das Gespräch zwischen Polizisten und der Gerichtsmedizin am Tatort mitzuhören war nicht der vorgesehene Weg, um Familienangehörige darüber in Kenntnis zu setzen, dass es sich um Mord handeln könnte.
»Wieso warten Sie nicht in der Küche?«, schlug Zach vor. »Wenn wir hier fertig sind, kommen wir zu Ihnen und erklären Ihnen alles in Ruhe. Sollen wir jemanden verständigen, damit er sich derweil um Sie kümmert?« Irgendjemand musste sie hier herausholen.
Sie drehte sich gar nicht zu ihm um. »Kennen Sie schon den Zeitpunkt des Todes?«
»Etwa um Mitternacht. Mehr kann ich im Moment nicht sagen«, führte Klein Hillary aus.
Veronicas Knie fingen an zu zittern. Zach fasste sie am Ellbogen und hielt sie auf den Beinen. Sie richtete sich wieder auf und zog ihren Arm mit einem bösen Blick aus seinem Griff.
»Das war nur wenige Stunden, nachdem ich ihn zuletzt gesehen habe.« Ihre Stimme wurde brüchig. »Ich hätte ihn nicht gehen lassen sollen.« Sie sah Zach an. »Ich habe Ihnen gesagt, dass es zu gefährlich ist.«
Ermordet. Sie behaupteten, dass ihr Vater
ermordet
wurde. Das machte keinen Sinn.
Sie hatte ihn gesehen und angenommen, dass er auf der Treppe das Gleichgewicht verloren hatte und beim Sturz seine zerfressene Leber und halb kaputte Milz
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