Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Dunkel der Nacht (German Edition)

Im Dunkel der Nacht (German Edition)

Titel: Im Dunkel der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Carr
Vom Netzwerk:
ganz vorsichtig berührte sie mit zwei Fingern seine Halsschlagader, um seinen Puls zu fühlen. Nichts.
    Sie hatte auch keinen Puls erwartet. Köpfe sollten nicht in einem solchen Winkel gebogen sein. Gesichter sollten nicht derart grau aussehen. Augen sollten nicht so starr und gläsern auf Blutpfützen gerichtet sein.
    Es gab für eine solche Situation Verhaltensregeln, und Veronica wusste, was zu tun war. Sie hatte den Puls überprüft. Jetzt musste sie den Notruf wählen. Sie gab die Adresse durch. Sie sagte, ihr Vater wäre hingefallen. Sie schrie nicht. Sie wurde nicht hysterisch. Sie bewegte den Körper nicht.
    Den Körper. Nicht ihren Vater. Den Körper. Sie sprach es laut aus. Ihr Vater war tot. Er war seit einigen Stunden tot. Dessen war sie sich bewusst. Die Worte fühlten sich seltsam auf ihren Lippen an. Gefühllos.
    Es war stickig im Haus, und es roch schrecklich. Sie kannte diesen Geruch. Sie hätte ihn schon erkennen müssen, als sie die Tür geöffnet hatte. Es roch nach Erbrochenem, Blut und Fäkalien. Es war der Geruch des frischen Todes. Der Gestank, gegen den sie in der Notaufnahme ankämpfte. Der Gestank, gegen den sie im Krankenzimmer ihrer Mutter angekämpft hatte. Hier war es zu spät, um ihn zu bekämpfen. Dieses Gefecht war bereits verloren, lange bevor sie einen Fuß auf die knirschenden Treppenstufen gesetzt hatte.
    Sie ging in die Hocke. »Oh, Daddy«, sagte sie. »Es tut mir so leid. Es tut mir so schrecklich leid.«
    Zachs Handy klingelte bereits eine Stunde vor Dienstbeginn. Veronica Osbornes Vater war tot. Eine unerfreuliche Neuigkeit.
    Eine halbe Stunde später fuhr er an George Osbornes Haus vor und kaute noch auf dem Müsliriegel, den er sich vor seiner Abfahrt schnell aus der Speisekammer geholt hatte. Es standen bereits zwei Polizeifahrzeuge, ein Zivilfahrzeug, ein Rettungswagen und ein Feuerwehrauto vor dem Haus. Die Leute klagten bisweilen über einen Mangel an Zeit, doch hier bewegte sich niemand sonderlich schnell. Es gab keinen Grund mehr zur Eile, wenn die Hauptfigur bereits tot war.
    Zach seufzte, stieg aus seinem Auto und versicherte sich, dass seine Dienstmarke sichtbar an seinem Gürtel befestigt war. Einer der uniformierten Polizisten hob das Absperrband für ihn an, sodass er hindurchschlüpfen konnte. Noch waren keine Reporter vor Ort, doch das war nur eine Frage der Zeit. Er war froh, dass die Beamten das Anwesen bereits im Voraus abgesperrt hatten.
    »Wer ist alles drin?«, fragte er den Uniformierten.
    »Klein Hillary«, sagte der Mann und ließ das Absperrband sinken.
    Klein Hillary war eine Gerichtsmedizinerin namens Nancy Martinez, deren Spitznamen auf die von ihr häufig getragenen schwarzen Anzughosen zurückging. Klein war sie definitiv nicht. Auch wenn Schwarz schlank machte, half es nicht, die Dimension ihres Hinterteils zu kaschieren. Sie war gut in ihrem Job, schlau, effizient und nur schwer aus der Ruhe zu bringen. Vielleicht wurde sie deshalb Hillary genannt und nicht wegen der Hosen.
    Zach streifte sich an der Tür Einmalschuhe über und ging ins Haus. Klein Hillary war über den Körper von George Osborne gebeugt, der am Fuße seiner Treppe in einer Pfütze aus Blut, Urin, Erbrochenem und Exkrementen lag. Zach nahm sich eine Sekunde Zeit, um sich an den Geruch zu gewöhnen.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte er schließlich, nachdem er das Gefühl hatte, ohne Würgereiz sprechen zu können. »Ein Trinker ist die Treppe hinuntergefallen.«
    Klein Hillary sah zu ihm auf. »Gut geraten.«
    Zach verbeugte sich knapp vor ihr und hatte das Gefühl, vor dem Schuldirektor zu stehen. »Haben Sie vielen Dank.«
    »Leider ist es vollkommen falsch.« Sie stand auf und ging zu Zach hinüber, der noch an der Tür stand.
    »Tatsächlich?« Am Fuße einer Treppe lag ein Betrunkener. Falsch zu liegen überraschte da doch.
    Bevor Hillary Näheres erläutern konnte, traf Frank ein. Er kam mit übertriebener Vorsicht ins Haus, seufzte dann aber. »Man hat uns alle hierher bestellt, nur weil ein Trinker die Treppe hinuntergestürzt ist?«
    »Falsch geraten«, informierte ihn Zach. »Beziehungsweise richtig geraten, aber leider vollkommen falsch.«
    »Tatsächlich?« Frank blickte nicht minder überrascht drein. »Was du nicht sagst.«
    »Wollen Sie beide nun wissen, was passiert ist, oder nicht?«, fragte Klein Hillary. Während sie für ihre Professionalität berühmt war, fehlte ihr leider jeglicher Sinn für Humor. Und Geduld.
    Für Zach war sein schwarzer Humor ein

Weitere Kostenlose Bücher