Im Dunkel der Nacht (German Edition)
Frank. Er beobachtet sie schon seit Tagen.«
19
Gary aktivierte den Tempomat des Hondas. Sowie er Sacramento verlassen hatte, gab es kaum noch Verkehr, und er hätte ungehindert Gas geben können. Allerdings konnte er es sich nicht leisten, angehalten zu werden. Er war sich sicher, dass Schokostreusel versuchte, im Kofferraum auf sich aufmerksam zu machen. Solange er aber fuhr, war das kein Problem.
Sein Atem ging noch immer schnell und stoßweise, doch jetzt war es der Vorfreude geschuldet. Alles würde zu einem glorreichen Ende kommen. Er würde Schokostreusel zur Schule bringen und ihr zeigen, in welche Hölle sie ihren Bruder geschickt hatte. Und dann würde sie dafür bezahlen.
Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis da oben jemand ihre Leiche entdeckte. Wochen? Monate? Jahre?
Es hatte zwanzig Jahre gedauert, bis Max gefunden wurde. Es wäre großartig, wenn es bei ihr ebenso lange dauern würde. Vielleicht würde er sogar gelegentlich bei ihr vorbeifahren und sie besuchen.
Er wechselte die Spur, achtete darauf, das Tempolimit nicht zu überschreiten, und fing an zu pfeifen.
»Haben Sie etwas?«, fragte Zach Janice Lam am Telefon.
»Nein. Es ist alles noch so, wie es meine Kriminaltechniker hinterlassen haben. Soll ich jemanden dort oben patrouillieren lassen? Zumindest heute Nacht?«, fragte sie.
»Unbedingt.« Er legte auf. »Sie haben noch keine Spur von ihm. Ob wir uns vielleicht irren?«
Frank konzentrierte sich auf die Straße, was gut war, wenn man bedachte, wie schnell er fuhr. »Glaubst du das?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
Zach rief Janice Lam erneut an. »Schon was von Ihrem Mann an der Schule gehört?«
»Nein. Sein nächster Bericht ist aber auch erst in fünfzehn Minuten fällig. Soll ich ihn anfunken?«
»Wenn Sie so gut wären. Sagen Sie ihm, dass wir fast da sind. Ich will nicht, dass er uns verwechselt und vielleicht einen Schuss abgibt. Ich bleibe so lange dran.« Er sah zu Frank hinüber. »Bis jetzt noch nichts. Wenn wir ankommen, und Havens ist nicht da, haben wir dann einen Plan B?«
»Wir lassen bereits nach ihm und Veronica suchen. Sie werden auftauchen«, sagte Frank.
Eine Fahndungsmeldung war noch keine Garantie dafür, dass man sie auch finden würde, geschweige denn, dass man sie rechtzeitig finden würde.
Janice Lam meldete sich wieder. »Ich kann Kaminsky nicht erreichen.« Sie klang angespannt.
»Versuchen Sie es weiter. Wir sind gleich da.«
»Ich bleibe dran, McKnight.«
Zach legte auf und sah zu Frank. »Fahr schneller, Frank.«
»Ich fahre, so schnell ich kann.«
Gary holperte mit dem Honda die Staubpiste zur alten Sierra School für Jungen hinauf. Er fragte sich, wie Schokostreusel die Stöße wohl ganz ohne Sicherheitsgurt und der Möglichkeit, sich abzustützen, wegstecken würde. Er wollte, dass sie bei Bewusstsein blieb, also fuhr er vorsichtig.
Er hatte anfangs befürchtet, dass er sich verfahren würde, doch es schien, als hätte sich jede Wendung und Abzweigung auf dem Weg zu der Stätte, die ihn gebrochen hatte, unauslöschlich in sein Gedächtnis gebrannt.
Das Anwesen war überwuchert, aber ansonsten genau so, wie er es in Erinnerung hatte.
Bis auf das Polizeiauto, das auf der Lichtung davor parkte. Polizisten hatten die Sierra School immer nur dann besucht, wenn jemand ausgebüchst war.
Gary wusste, dass er den Holzknüppel noch immer bei sich trug und stieg aus. Er wurde sofort vom hellen Licht der Scheinwerfer geblendet und hob beschwichtigend die Hände.
»Hallo, ich hab mich irgendwie verirrt. Können Sie mir vielleicht weiterhelfen?«, sagte er und versuchte dabei so zu klingen, als hätte er nichts zu verbergen. Diese Strategie hatte er in jahrelanger Arbeit perfektioniert. Es erforderte im Grunde kaum noch Anstrengung.
Das Licht wurde etwas gesenkt. »Sie befinden sich hier auf Privatgelände. Ich muss Sie auffordern, wieder zu fahren.«
»Das will ich ja. Ich bin auf der Suche nach der Landstraße 15. Irgendwo muss ich falsch abgebogen sein.« Er lächelte und ließ die Hände ein wenig sinken.
»Sie sind mit Sicherheit falsch abgebogen.« Das Licht wurde noch weiter gesenkt. Gary konnte jetzt das Gesicht des Polizeibeamten erkennen. Er war offenbar noch sehr jung. »Sie müssen zur Hauptstraße zurück, dann links abbiegen, und wenn sie auf die 89 kommen, geht es rechts weg. Die Landstraße 15 steht dann nach einer oder zwei Meilen angeschrieben.«
Gary drehte sich um und blickte dorthin, wo er hergekommen war.
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