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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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korrekt gekleideten Dame. Sie hatte seit dem letzten Jahr stark abgenommen, auf ihrem viel zu weiten Rock gab es einen großen, eingetrockneten Teefleck, die Bluse hatte einen schmutzigen Kragen, die Strickjacke war schief zugeknöpft. Was Ebba am meisten erschreckte, war, dass ihre Mutter mit keinem Wort den Betkreis erwähnte und auch keine Anstalten machte, die Wohnung für die nächsten Stunden zu verlassen. Im Gegenteil, sie klammerte sich zitternd an sie und hörte nicht mehr auf zu weinen.
    Â»Georg ist seit fast zwei Jahren tot«, versuchte Ebba sie zu trösten.
    Â»Georg?«, entgegnete die Mutter schluchzend. »Damit muss man sich abfinden. Ich habe so viele Seelenmessen für ihn abhalten lassen wie nur möglich, und ich stelle mir vor, dass es ihm im Himmel endlich gut geht und dass ihm dort jemand sagt, welch ein perfekter Mann, Sohn und Bruder er war.«
    Sie schnäuzte sich und ließ sich auf das grüne Ledersofa fallen, während sie ihren Kopf senkte und ihr Kinn schon wieder verdächtig zu beben anfing.
    Â»Was ist los, Mama? Hast du dich mit dem Betkreis verkracht?«
    Ihre Mutter zuckte zusammen. »Ach, Kind«, stöhnte sie, »verkracht – wenn es so einfach wäre.«
    Mehr war nicht aus ihr herauszubekommen, selbst die verbindliche Rosie schaffte es nicht, die Stimmung zu drehen. Aber sie merkten, dass das Zusammensein ihrer Mutter guttat, und so blieb auch Ebba an diesem Abend länger als gewöhnlich.
    Sie war höchst ungern heimgefahren, eigentlich nur, weil sie sich Jörg gegenüber wegen des verpatzten Urlaubs verpflichtet fühlte, und das ärgerte sie auch wieder. Sie würde sich in Zukunft mehr um ihre Mutter kümmern, nahm sie sich fest vor, und sie würde versuchen, mit Jörg wieder auf die Basis von vor zwei Jahren zurückzukehren. Versuchen? Nein, sie musste es tun, sonst würde sie ersticken.
    Sie tauchte im heißen Schaumbad unter und war froh, dass er so rücksichtsvoll war, sie allein zu lassen. Allmählich spürte sie, wie sich ihr Körper entspannte, auch wenn ihr Kopf nicht abschalten konnte. Immer wieder durchlebte sie die Szenen mit ihrer Mutter, ohne das Rätsel für deren Depression lösen zu können. Depression? Es war mehr gewesen als das. Verzweiflung? Auch nicht. Furcht! Aber wovor? Und warum fand sie nicht einmal in der Kirche mehr ihren Frieden, wie es doch ihr ganzes Leben hindurch der Fall gewesen war? Sie schien seit geraumer Zeit nicht mehr außer Haus gegangen zu sein, der Kühlschrank war leer gewesen, sogar von ihren geliebten Kräuertees hatte es nur noch einige Krümel gegeben.
    Rosie hatte sich zum Glück bereiterklärt, ihre Heimfahrt um zwei Tage zu verschieben – die Geschäfte in Schleswig liefen so gut, dass sie es wagen konnte, den Laden etwas länger geschlossen zu halten, und zum neuen Jahr würde sie sogar eine Vertreterin einstellen können. Übernächste Woche würde dann Ebba erneut nach Freiburg fahren und nach dem Rechten sehen, hatten sie vereinbart.
    Auf Dauer ging das natürlich nicht. Am besten war es wohl, mit Friedas Pfarrer zu sprechen. Vielleicht wusste der, was vorgefallen war und wie man es aus der Welt räumen konnte. Es handelte sich gewiss nur um ein Missverständnis, das ihrer Mutter die Teilnahme an dem Betkreis vergällt hatte. Frieda Seidel konnte doch ohne diesen Kreis nicht existieren.
    Was Ebba besonders Angst machte, war diese diffuse Furcht in Friedas Andeutungen, die ihr bekannt vorgekommen war. Sie hatte sie an Georgs wirre Worte und sein Unbehagen in seinen letzten Lebenstagen erinnert.
    Ebba tauchte ein letztes Mal unter, aber es war alles andere als angenehm; im Gegenteil, sie fror im warmen Wasser, als trieben keine Schaumwölkchen auf der Oberfläche, sondern Eisschollen.

Elf
    Montag, 2. Februar 2009
    Â»Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen! Wasche meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde! Denn ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist.«
    Frieda Seidel stand am Küchenfenster und sah sehnsüchtig zum Turm des Münsters. So nahe, und doch unerreichbar für sie. Wie hatte das alles nur angefangen? Wann? Warum?
    Sie presste die gefalteten Hände an ihr Kinn.
    Â»O mein Jesus,

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