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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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Rettungswagen schicken?«
    Â»Ob sie einen Freund hat, will ich wissen. Ob sie mit dem verreist sein könnte. Er soll Arzt sein.«
    Â»Die Chefin redet nicht viel.«
    Ihre Angestellte offensichtlich auch nicht. Ebba musste sich beherrschen, um höflich zu bleiben. Immerhin bekam sie heraus, dass Rosie im »Eulennest« keine privaten Telefonate führte oder männliche Besucher empfing – sofern Inken das beurteilen konnte. Es gab auch keine anderen Indizien auf eine Liebschaft, keine Blumensträuße, keine Briefe.
    Â»Hier ist alles wie immer«, lautete das nüchterne Urteil – mit leicht fragendem Unterton. »Morgen ist die Chefin bestimmt im Laden, falls die Straßen bis dahin frei sind.«
    Das war alles wenig hilfreich. Ebba malte sich Rosies Schicksal in den schwärzesten Farben aus. Vielleicht war sie eine Treppe hinabgestürzt, oder der Unbekannte hatte sie vergewaltigt, zerstückelt und in die Schlei geworfen. Dass es diesen Mann gab, darüber war sich Ebba inzwischen sicher. Ohne Beeinflussung von außen wäre Rosie niemals so ruppig und unzuverlässig.
    Aber am Montagmorgen hob Rosie im »Eulennest« ab und beruhigte sie. Vermutlich sei das Telefon kaputt – sie werde es nach Feierabend überprüfen.
    Auch am Silvestervormittag plauderte Rosie über mangelhaften Umsatz und die Schneemassen, die einfach nicht schmolzen und den Verkehr nicht nur in Norddeutschland, sondern überall immer noch erheblich behinderten. In Ebbas Ohren klang Rosies Fröhlichkeit schrecklich unecht und aufgesetzt, aber nach dem zweiten »A-alles in O-ordnung« gab sie auf. Rosie war erwachsen. Sie musste wissen, was sie tat. Und Ebba hatte kein Recht, sich in ihr Leben einzumischen. Sie sollte sich lieber ablenken, und zwar nicht wie sonst beim Ju-Jitsu. Es war Silvester! Da feierte man mit Freunden.
    Plötzlich bereute sie es, keines der Angebote für den Abend angenommen zu haben. Monsieur Leblanc und Corinna zum Beispiel hatten sie in Leblancs Villa in Nizza eingeladen, wo sich die junge Künstlerin gerade »inspirieren« ließ und zum Glück weiter wie am Fließband malte.
    Michael Maurer wiederum hatte gefragt, ob sie Lust habe, mit ihm in Berlin in die Oper und anschließend auf einen Ball zu gehen. Ihm hatte sie einen Korb gegeben, weil diese Einladung vermutlich mehr bezweckte als harmlose Gespräche über die Malerei in Europa.
    Sie wäre auch gern nach New York geflogen, wo es genügend Möglichkeiten gab, in der lebendigen jungen Kunstszene im einstigen Meat-District ins neue Jahr zu feiern. Jenny Bender besaß eine Wohnung mit drei Gästezimmern an der Upper Westside und wäre entzückt gewesen, wenn sie gekommen wäre.
    Aber nicht zuletzt die chaotische Verkehrslage hatte sie von allen Plänen abgehalten. So saß sie allein in ihrer Wohnung, mit einer Flasche Veuve Clicquot, der Titanic - DVD , Lachs-Schnittchen und der Sehnsucht, dass im neuen Jahr alles gut werden würde.
    Aber die Wohnung schien ihr mit einem Mal zu groß und zu still. An Silvester war das Alleinsein viel schwerer zu ertragen als an Weihnachten. Es kam ihr wie eine Niederlage vor. Sie brauchte zwar keine engen Freunde um sich herum, aber etwas Gesellschaft, um den Jahreswechsel fröhlich und neugierig und voller Hoffnungen und Wünsche zu begehen, wäre nicht schlecht gewesen. Es war reichlich spät für diese Erkenntnis.
    Um nicht in Trübsal zu verfallen, machte sie eine Stunde vor Mitternacht einen kurzen, mühsamen Spaziergang durch die Schneeberge ihres Wohnviertels, blickte in hell erleuchtete Fenster, hinter denen Menschen am Esstisch saßen oder tanzten, begegnete ein paar Hundebesitzern, die ihre Vierbeiner bei jedem verfrüht abgeschossenen Böller beruhigen mussten, kehrte durchgefroren vom eisigen Wind zurück in ihr Apartment, gönnte sich einen weiteren Schluck Champagner und blickte auf das grandiose Feuerwerk, das die Stadt unter ihr mit einem bunten Funkenteppich überzog. Es regnete weiße Sternchen, grüne Schnüre, es zerplatzten rote Träume, perlten als kleine Kügelchen in Richtung Erde zurück – grandios.
    Da machte sich das Telefon bemerkbar.
    Rosies Stimme war am anderen Ende, aber sie war kaum zu verstehen. »Hhhhilf mir, Ebba, ich kann nich’ mehr. Träume schreckliche Sachen, auf Brücken, Kränen, Segelmasten, wird immer schlimmer. Hab solche

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