Im Dunkel der Waelder
gewesen wäre? Um in mein Privatleben einzudringen und Virginie aus der Nähe beobachten zu können … Nein, nein, nein, das reicht, ich spinne.
Paul fährt noch immer genauso hektisch, und ich werde hin- und hergeworfen wie in einem Autoscooter. Ich spüre, daß mein Magen zu revoltieren beginnt. Endlich halten wir an.
»Nun sieh sich einer all diese Idioten an, die ins Grüne gefahren sind«, brummt Paul und zündet sich eine Zigarette an.
»Warum halten wir?«
»Weil Papa uns in einen Stau gefahren hat … An diesem Rauch erstickt man noch …«
»Mach doch das Fenster auf.«
Eine reizende Atmosphäre. Diesen Ausflug werde ich so bald nicht vergessen … Eine gute Weile quälen wir uns im Schrittempo voran, ohne daß ein Wort fällt. Plötzlich ruft Hélène aus:
»Oh, sieh mal, das ist Steph! Da, in dem weißen CX … da!«
»Das ist kein CX, das ist ein BMW.«
»Das ist er. Ich werde doch wohl Steph erkennen!«
»Das weiß ich auch. Aber, tut mir leid, ich sehe keinen CX.«
»Natürlich, er ist ja auch gerade rechts abgebogen. Bestimmt eine Abkürzung. Er kennt sich hier aus. Er ist nicht so blöd und steht stundenlang in irgendeinem dämlichen Stau.«
Paul stellt das Radio lauter, die Rockmusik dröhnt in meinen Ohren. Schließlich löst sich der Stau auf, und wir fahren weiter. Ich stelle mir die Hunderten von Familien vor, die Stoßstange an Stoßstange in ihren Autos hocken und sich bei voll aufgedrehten Radios und dem Hupkonzert anbrüllen. Brrr.
»Endstation! Alles aussteigen!« Yvette hilft Paul, mich aus dem Auto in den Rollstuhl zu heben.
»Na, war der kleine Ausflug schön?« erkundigt sich Yvette.
»Sehr schön, sehr schön. Entschuldigen Sie uns, aber ich habe noch viel zu tun. Bis morgen!« ruft Paul und fährt an.
»Na, was ist dem denn für eine Laus über die Leber gelaufen?« wundert sich Yvette, als sie mich ins Haus schiebt.
Eine Laus? Eine ganze Läusekompanie, meinst du, und ich habe das Gefühl, die Sache ist noch nicht ausgestanden: Hélène schien sehr aufgebracht!
Regen, Regen und nochmals Regen. Eigentlich lausche ich gern dem Regen, dann bin ich beschäftigt. Aber um mich herum haben alle schlechte Laune, angefangen bei Yvette, die sich über ihr Rheuma beklagt.
Kaffeeduft. Yvette setzt sich neben mich und schlägt die Zeitung auf. Es regnet stärker.
»Nun hören Sie sich das an! ›Neue Erkenntnisse im Fall des Sadisten von Boissy-les-Colombes. Ein anonymer Anrufer machte gestern die Beamten des Polizeireviers Saint-Quentin auf die Forsthütte an der Wegkreuzung G7 und C9 im Wald von Vilmorin aufmerksam. In dieser Hütte, die zum Abstellen der Forstgeräte dient, wurden blutbefleckte Herrenkleidungsstücke gefunden. Die Ergebnisse der heute nacht vorgenommenen Laboruntersuchung stehen noch aus.‹ Stellen Sie sich das doch mal vor, Lise. Warum sollte der Mörder seine Sachen in der Hütte verstecken, statt sie zu verbrennen oder in den Fluß zu werfen. Das hat doch weder Hand noch Fuß.«
Ganz deiner Meinung, Yvette. Aber dennoch wird es einen Grund geben. Warten wir das Ergebnis der Laboruntersuchung ab.
Das Telefon läutet. Yvette erhebt sich schwerfällig.
»Hallo? Ah, guten Tag, Stéphane. Ja, sie ist da. Ja, ich gebe sie Ihnen. Es ist Stéphane, er will Ihnen etwas sagen.«
»Hallo, Elise?«
Da ich natürlich nicht antworte, spricht er weiter.
»Ich wollte Ihnen sagen … Glauben Sie nicht, was man Ihnen über mich erzählen wird. Hören Sie, ich kann Ihnen das jetzt nicht erklären, aber ich habe Feinde, ich muß verschwinden. Ich umarme Sie. Ich … ich liebe Sie, Elise. Adieu.«
Er legt auf.
»Hat er aufgelegt?« erkundigt sich Yvette, die sich tapfer zurückgehalten und nicht mitgehört hat.
Zeigefinger.
»Ist alles in Ordnung?«
Zeigefinger. Nein, nichts ist in Ordnung, was hat er damit gemeint? Ich verstehe kein Wort. Und die Vorstellung, daß dieser Irre in mich verliebt ist, tröstet mich auch nicht.
Ich habe schlecht geschlafen. Der Wind frischt auf, ein starker, heftiger Wind, begleitet von einem Höllenlärm. Ich habe die Nacht damit verbracht, Probleme zu wälzen, die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen zu überdenken, doch das einzige Ergebnis scheint eine handfeste Migräne zu sein.
Wie sagt man ›Ich habe Kopfschmerzen‹, wenn man nur den Zeigefinger heben kann? Gar nicht. Also kein Aspirin. Also dumpfe Schmerzen über den Augenbrauen, das Klatschen des Regens an die Scheiben, das Heulen des Windes, eine Stimmung wie in
Weitere Kostenlose Bücher