Im Dunkel der Waelder
bin der Ansicht, daß das eine enorme Verbesserung ist.«
Die Anstrengung hat mich erschöpft. Ich bin schweißgebadet. Natürlich denkt Catherine die Große nicht daran, mich abzutrocknen. Sie tönt: »Sie haben Blut im Kofferraum von Stéphanes Wagen entdeckt …«
»Nein …«
»Doch, sie haben es heute morgen im Radio durchgegeben. Blutgruppe AB – wie der kleine Massenet.«
»Das hieße, er hätte Michael in der Forsthütte getötet und dann zum Fluß gebracht?« erkundigt sich Yvette aufgeregt.
»Ich habe keine Ahnung, mehr haben sie nicht gesagt. Sie suchen weiter. Sie haben auch Blut der Gruppe Null gefunden – das ist die Blutgruppe des kleinen Mathieu Golbert –, aber offenbar hat Stéphane auch Blutgruppe Null, also scheint es mir recht schwierig …«
Überlegen wir mal. Wenn ich recht habe, und Stéphane unschuldig ist, bedeutet das, daß der Mörder seinen Wagen benutzt hat. Das bedeutet wiederum, daß er ihn gut genug kannte, um ihn sich auszuleihen, aber unter welchem Vorwand? Ich stoße immer wieder auf das Problem mit Sophies Liebhaber. Paul oder Manu? Oder warum nicht gleich das halbe Dorf?
»So, Elise, nun strengen Sie sich noch einmal an, anspannen, anspannen …«
Nun bin ich schon wieder in meine Gedanken versunken und vergesse darüber, meine Kräfte zu mobilisieren. »Anspannen, anspannen«, sie hat gut reden, ich habe das Gefühl, gespannt wie ein Flitzebogen zu sein.
Endlich ist die Tortur vorbei. Ich komme langsam wieder zu Atem. Schweigen. Yvette hat die Heizung angestellt. Ich höre, wie das Wasser in den Rohren gluckert. Wenn laut meiner Theorie Sophies Liebhaber der Mörder ist, warum sollte es nicht Manu gewesen sein? Aber warum sollte Virginie Manu decken? Bei Paul wäre das verständlich, sie glaubt, er sei ihr Vater, aber Manu? Ich ertappe mich dabei, wie ich mir eine perverse Beziehung zwischen Manu und Virginie vorstelle. Das ist idiotisch. Vorstellen kann man sich vieles. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß es in dieser Stadt jemanden gibt, der hinter der Maske des Biedermannes fähig ist, kleine Kinder zu töten und zu verstümmeln. Das ist verrückter als alles, was ich mir vorstellen kann. Wie sagte Benoît immer? ›Alles ist möglich, alles kann passieren, man braucht nur die Zeitung aufzuschlagend Ich habe in meinem Leben viele Krimis gelesen, und ich bilde mir ein, eine gute Amateurdetektivin zu sein. Eines der letzten Bücher, das ich gelesen habe, ehe ich mich für den Wettbewerb der Miss Mehlsack entschied, handelte von den Ermittlungen des FBI gegen einen Massenmörder. Darin wurde dargelegt, daß es im allgemeinen zwei Arten von pathologischen Mördern gibt: Sie unterliegen zwar alle einem unwiderstehlichen Drang, aber die einen wissen genau, was sie tun, und es ist ihnen ein Vergnügen, die Polizei und ihre Mitbürger in die Irre zu führen, während die anderen ihre Taten vergessen, sobald sie sie begangen haben und guten Gewissens ihre Unschuld beschwören. Ein anderer Teil ihres Ichs hat die Morde begangen, ein Teil, der sich ihrem Bewußtsein entzieht. Doch wenn ich davon ausgehe, daß Stéphane auf Grund eines wohldurchdachten Plans von dem wahren Mörder getötet wurde, muß ich annehmen, daß dieser Mörder sehr genau weiß, was er tut. Es handelt sich also nicht nur um einen Kranken, sondern vielmehr um einen Perversen, dem es Freude macht zu beobachten, wie alle im dunkeln tappen. Um einen Perversen, der meine Ängste genießt. Und warum sollte er nicht auch Virginie unter Kontrolle haben?
Ich schäme mich meiner Gedanken.
Aber …
Es läutet.
»Guten Tag, Herr Kommissar, bitte kommen Sie, wir sind gerade erst zurückgekommen.«
In Yvettes Stimme schwingt Unwillen mit. Den armen Yssart hat sie wirklich nicht gerade ins Herz geschlossen. Ich hingegen bin entzückt von seinem Besuch.
»Guten Tag.«
Zeigefinger.
»Ich bin in der Küche«, bemerkt Yvette im Hinausgehen.
»Ich muß um Entschuldigung bitten, daß ich schon wieder unangemeldet komme, aber die Umstände …«
Weiter!
»Sie haben sicherlich die letzten Entwicklungen der Angelegenheit verfolgt.«
Zeigefinger.
»Sie wissen also, daß man in Stéphane Migoins Wagen Blutspuren gefunden hat.«
Zeigefinger.
»Die Laboruntersuchungen haben ergeben, daß die älteren Blutspuren von Michael Massenet und die neueren von Mathieu Golbert stammen. Darüber hinaus hat der Parkplatzwächter des Einkaufszentrums versichert, er habe etwa zu der Zeit, als der Mord an Mathieu Golbert geschah,
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