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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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kann.
    »Hélène, ich begreife nicht … Was soll das heißen?« fragt Guillaume fassungslos.
    »Das heißt, du sollst die Klappe halten und dich nicht von der Stelle rühren, klar?«
    »Hélène! Aber das kann nicht wahr sein! Sagen Sie mir, daß das nicht wahr ist!«
    »Sie hat sie alle umgebracht!« ruft Tony, der neben dem Rollstuhl am Boden liegt.
    »Ist das wahr?« fragt Guillaume ungläubig.
    »Sie stellen vielleicht dumme Fragen, mein lieber Guillaume. Wer soll es denn sonst gewesen sein? Ihre geliebte Yvette vielleicht?«
    »Und Paul? Was ist mit Paul?«
    »Paul war sehr unhöflich zu mir. Ihm hat der Inhalt des Kastens überhaupt nicht gefallen. Er hat den Wert meiner Sammlung nicht verstanden. Er hat mich angeschrien und ganz fürchterliche Dinge über mich gesagt … Ich mag es nicht, wenn man mich anschreit.«
    »Und Stéphane? Warum Stéphane?« fragt Tony. »Er hat dir doch gar nichts getan!«
    »Stéphane? Er wurde lästig. Er wollte mich ganz für sich allein haben. Armer Stéphane. Als ob ich einem einzigen gehören könnte … Das muß man sich mal vorstellen, Elise, Männer sind so arrogant und dumm! Außerdem bekam er es mit der Angst zu tun. Als er hörte, daß die Polizei nach einem weißen Kombi suchte, kriegte er Schiß, der arme Dummkopf. Er wußte, daß ich mir den Wagen häufig ausleihe. Er hat angefangen, sich Fragen zu stellen. Was er nicht wußte, war, daß ich diejenige gewesen bin, die die Polizei auf seine Spur gebracht hat. Ich war es, die anonym die Polizei verständigt hat, nachdem ich auf einigen alten Kleidungsstücken Blutspuren hinterlassen und die Sachen in der Forsthütte deponiert hatte, der Ort, wo ich mich um den kleinen Michael gekümmert hatte. Ich mußte einen Schuldigen finden, der Polizei einen Schuldigen liefern, so wie man einem Hund einen Knochen hinwirft, also … bye, bye, Stéphane.«
    »Und Sophie? Ist Sophie …?« stammelt Guillaume bestürzt.
    »Aber ja, mein lieber Guillaume, das war auch ich. Machen Sie den Mund wieder zu, Sie sehen so schon dumm genug aus! Sophie wußte zuviel. Sie wußte von Benoît.«
    Was wußte sie? Ich versteh’ überhaupt nichts mehr. Hélène fährt fort: »Sophie hatte eine große Klappe. Sie war eine richtige Klatschbase. Ich konnte doch nicht zulassen, daß sie herumlief und mich und meine Person durch den Schmutz zog.«
    Person. Sie bezeichnet sich als Person. Gibt es denn eine echte Hélène?
    »Da war doch ein Selbstmord die einfachste Lösung, oder?« erzählt Hélène, von sich begeistert.
    »Ich verstehe nicht«, stammelt Guillaume. »Ich glaube, ich verstehe das nicht … Hélène, das kann unmöglich wahr sein … Die Kinder, Stéphane, Sophie, Paul, das sind neun Menschen!«
    »Halt die Klappe, verdammter Mistkerl!«
    Er stößt einen kurzen Schrei aus, ich nehme an, daß sie ihm mit der Pistole einen Schlag versetzt hat. Ich kann mir gut vorstellen, wie sie ihm ganz beiläufig die Zähne ausschlägt.
    Ein Streichholz wird angezündet. Kerzengeruch. Was macht sie jetzt? Warum habe ich bloß das Messer hergegeben?! Blut tropft mir in die Augen, der Schlag mit dem Pistolenkolben muß mich am Kopf verletzt haben. Ich kann mir das Gesicht nicht abwischen, ich spüre, wie das Blut über meine Lippen läuft, nehme seinen typischen Geruch wahr, das widert mich an, alles widert mich an, ich fühle mich weit von der Realität entfernt, nur noch in Angst und Grauen verstrickt.
    »Sie hatten nicht das Recht, mir Max wegzunehmen.«
    Max. Aber wer ist Max?
    »Ich habe ihn so sehr geliebt.« Hélènes Stimme klingt jetzt rachsüchtig. »Er war mein ein und alles. Mit ihm sollte alles wieder gut werden, wollte ich die Schläge vergessen, die Angst, Leid durch Liebe ersetzen.«
    »Und du glaubst, wenn du Kinder erwürgst, könntest du damit Leid durch Liebe ersetzen?« fragte Tony spöttisch.
    »Wie kannst du nur so vulgär sein! Ich frage mich, wie ich mich zu jemandem wie dir hingezogen fühlen konnte, zu einem armen, schizophrenen Alkoholiker, zu einem Stück Dreck. Was weißt du schon von Liebe? Deine Mutter hat sich nie um dich gekümmert, dein Vater ist ein halber Penner … Liebe, was ist das für dich, Tony? Ein Krankenhausbett? Das künstliche Lächeln einer gestreßten Krankenschwester? Ein Teller Suppe, wenn es draußen kalt ist? Du klammerst dich hartnäckig an das Leben in dem Glauben, daß eines Tages alles wieder gut wird, aber leben heißt leiden. Leben bedeutet Schmerz, immerzu, immerzu. Du sagst, ich habe sie

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