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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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spüren die Hitze des Feuers und riechen es, riechen das verbrannte Fleisch … Man muß etwas tun. Ich fahre zur Tür und wie verrückt immer wieder dagegen, irgend jemand in diesem verdammten Haus muß uns doch hören! Ich kann diese Schreie nicht länger ertragen!
    »Wenn nicht augenblicklich Ruhe bei Ihnen herrscht, rufe ich die Polizei!« hört man jemanden von unten aufgebracht rufen.
    Na los, beeil dich! Ruf schon an! Die Hitze breitet sich im Zimmer aus, die Flammen streifen mich, berühren mich, verbrennen mich. Hélène läuft schreiend durch das Zimmer, stößt gegen Möbel, ich spüre sie, ich spüre sie an meinem Arm, es brennt höllisch, ich spüre, wie ihr Fleisch aufquillt, sich Blasen bilden … und ich spüre ihre Verzweiflung. So hilf ihr doch jemand!
    Ich spüre etwas an meinem Bein.
    »Elise, das Messer, ich habe es, nehmen Sie es, schnell!« keucht Tony.
    Er hat sich halb aufgerichtet und läßt es in meinen Schoß fallen. Meine Hand umklammert den Griff.
    »Wir können sie nicht sich selbst überlassen. Halten Sie das Messer senkrecht, ich werde die Krawatte durchtrennen.«
    Ja, er hat recht, vielleicht kann er sie ins Badezimmer dirigieren und die Dusche anstellen … Zum zweitenmal innerhalb einer halben Stunde konzentriere ich mich darauf, das Messer festzuhalten, während er versucht, die Krawatte möglichst schnell durchzuschneiden, aber es dauert, und diese Schreie, o mein Gott, diese SCHREIE!
    Die Krawatte reißt, Tony steht auf, wobei er sich auf die Rückenlehne meines Rollstuhls stützt, er ruft mit erstickter Stimme: »Hélène«,und ich ahne, daß er versucht, sie zu packen.
    »Hélène! Ich kann nicht, das brennt zu stark! Ich muß mein Jackett ausziehen!«
    Beeil dich! Hélène hört nicht auf zu schreien, ihre Schreie ändern sich, werden unerträglich schrill, man glaubt nicht, daß diese gellenden Töne von einem menschlichen Wesen stammen, ich habe das Gefühl, daß mir gleich das Trommelfell platzt, ich beiße die Zähne so fest zusammen, wie es nur geht und umklammere mit aller Macht den Griff des Messers, wieviel Zeit ist inzwischen vergangen? Zwei Sekunden? Drei Sekunden? Drei Jahrhunderte? Diese entsetzlichen Schreie lösen bei mir Krämpfe aus, die Flammen kommen näher, ich möchte aufstehen und brüllen, gleich werde auch ich brennen, meine Haare Feuer fangen, ich hebe verzweifelt immer wieder den Arm, um auf mich aufmerksam zu machen, helft mir, so helft mir doch, Hélène läuft im Kreise, sie verbrennt mich, sie verbrennt mich, sie fällt auf mich, ich brenne auch! Ich brenne!
    Etwas ist auf meinem Kopf, man stülpt mir etwas über den Kopf, nimmt Hélènes glühendheißen Körper von mir, schlägt mit etwas aus Stoff auf mir herum, Tonys Jackett, er erstickt die Flammen auf meinem Körper, ich bin gerettet, ich bin gerettet …
    Das Schreien hat aufgehört. Hélène schreit nicht mehr. Rührt sich nicht mehr.
    »Sie ist hineingefallen«, sagt Tony mit kaum hörbarer Stimme. »Dem Himmel sei Dank, sie ist einfach hineingefallen.«
    Hineingefallen? Sie ist doch auf mich gefallen …
    »Und?« erkundigt sich Guillaume.
    »Sie ist tot«, antwortet Tony. »Die Klinge hat ihr Herz durchbohrt.«
    Die Klinge? Oh, nein … Das Messer, das ich mit senkrecht stehender Klinge fest umklammert hielt. Ich habe Hélène getötet. Ich, Elise Andrioli, habe jemanden umgebracht. Dieses Messer, das ich in meiner Hand hielt, hat sich in die Brust eines menschlichen Wesens gebohrt. Die Klinge ist blutüberströmt, meine Hand ist blutüberströmt … Das wollte ich nicht …
    Man hört das lodernde Geräusch der Flammen in der Stille, die plötzlich in diesem Wohnzimmer herrscht.
    »Wir müssen machen, daß wir hier herauskommen!« ruft Guillaume.
    Tony legt mir etwas in den Schoß und öffnet die Tür zum Gang, genüßlich sauge ich den Zementgeruch, die kühle Luft ein. Tony schiebt mich aus der Wohnung, Jean Guillaume folgt uns, ich spüre Yvettes Beine an meiner Wange, Guillaume läuft zum Fahrstuhl. Die Tür öffnet sich wie von Zauberhand. Hinter uns lodert das Feuer. Plötzlich durchfährt mich ein eisiger Schreck: Virginie! Ist Virginie noch in der Wohnung? Ich hebe hektisch die Hand.
    »Sie ist hier, ich halte sie im Arm, sie schläft«, antwortet Tony.
    Sie schläft? Wie konnte sie bei den Ereignissen, die sich in der Wohnung abgespielt haben, schlafen?
    »Ich habe ihr Hexobarbital gespritzt. Sie wird erst in ein paar Stunden aufwachen. Ich wollte nicht, daß sie etwas

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