Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
schlugen den gleichen steten Rhythmus wie meine, und jetzt atmete er sogar im gleichen Takt wie ich. Er schlang sich das Handtuch um den Kopf und verknotete es unter dem Kinn.
»Wie geht’s Ihnen?« fragte ich.
»Großartig. Sind Sie mal auf der Tretmühle in Quantico gelaufen?« Er wandte mir das Gesicht zu. Seine tief in den Höhlen liegenden Augen sahen aus wie Bleikugeln.
»Nein, ich war nicht bei den Marines«, sagte ich.
»Sie sehn aus wie jemand, den ich mal gekannt hab. Deswegen hab ich gefragt.«
Ich antwortete nicht. Draußen über dem Meer stieß eine einmotorige Maschine aus der Sonne, legte sich in die Kurve und wackelte leicht, als sie vom Wind erfaßt wurde.
»Warn Sie in Benning?« fragte der Mann.
»Ne.«
»Ich kenn Sie irgendwoher.«
»Ich glaube nicht.«
»Vielleicht war’s in Bragg. Nein, jetzt fällt’s mir wieder ein. Saigon, fünfundsechzig. Bring Cash Alley. Für zwanzig Kröten Rauchen und Bumsen nach Herzenslust. Große Klasse. Ich vergess nie ein Gesicht.«
Schwer atmend trabte ich aus, spürte, wie mir der Schweiß über die Brust lief. Er wurde ebenfalls langsamer.
»Was steht an, Partner?« fragte ich.
»Es is’n kleiner Verein. Nix steht an. Jemand, der zwei Verwundetenabzeichen hat, gehört meiner Ansicht nach von Haus aus dazu.« Er zog das Handtuch vom Kopf und wischte sich das Gesicht ab, dann bot er es mir an. Ich sah Bootsies Toyota den Fahrweg entlang auf uns zukommen.
Ich rückte von ihm ab, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
»Lassen Sie’s jetzt ruhig angehen«, sagte ich.
»Sie auch, Chef. Probiern Sie’s mal mit flüssigem Proteinmalz. Das ist, als ob man sich Kupferdraht um die Eier wickelt. Da legt man beim Laufen echt einen Zahn zu.«
Ich hörte, wie Bootsie hinter mir bremste. Ich stieg ein und setzte mich auf den Beifahrersitz. Mein bloßer Rücken hinterließ einen feuchten, dunklen Abdruck auf der Lehne.
»Dave, zieh dein Hemd an«, sagte sie.
»Fahr schon.«
»Was ist los?«
»Gar nichts.«
Sie warf einen Blick in den Rückspiegel. Der Mann mit dem kugelrunden braunen Kopf wischte sich mit dem Handtuch die Innenseiten seiner Schenkel ab.
»Jesses«, sagte sie. »Wer war denn das?«
»Ich habe das Gefühl, daß ich grade Mister Emile Pogue begegnet bin«, antwortete ich.
13
»Das darf doch nicht wahr sein«, sagte der Sheriff, während er, die Hände in die Hüfte gestemmt, die auf dem Boden verstreuten Aktenordner und Papiere und die mit einem Schraubenzieher aufgebrochenen Schlösser an den Schubladen meines Schreibtisches und Aktenschranks betrachtete. »Wir müssen wegen eines Einbruchs in unsere eigene Dienststelle ermitteln.«
Es war Montag morgen, acht Uhr, und draußen regnete es heftig.
Der Sheriff war gerade in mein Büro gekommen. Ich war seit sieben da.
»Was fehlt?« fragte er.
»Nichts, soweit ich sehen kann. Die Akten über Marsallus und Della Landry sind quer über den Boden verstreut, aber die Täter haben nichts mitgehen lassen.«
»Was ist mit Helens Akten?«
»Sie kann den Ersatzschlüssel für ihr Haus nirgendwo finden. Sie will heute noch die Schlösser austauschen lassen«, sagte ich.
Er setzte sich auf meinen Drehstuhl.
»Was dagegen?« fragte er.
»Überhaupt nicht.« Ich hob die herumliegenden Papiere und Fotos auf und ordnete sie wieder in die Aktenschuber ein.
Er atmete tief durch. »Na schön. Wally sagt, der Putztrupp ist gestern nacht gegen elf Uhr gekommen. Sie haben gesaugt, die Böden gebohnert, abgestaubt, die Toiletten geputzt und sind gegen zwei Uhr morgens wieder gegangen. Er ist sich sicher, daß es die übliche Mannschaft war.«
»Vermutlich war sie’s auch.«
»Und wer ist dann hier eingedrungen?«
»Meiner Meinung nach ist jemand, der die gleiche Uniform anhatte, hier eingedrungen, unmittelbar nachdem der Putztrupp gegangen war, und hat die Schlösser geknackt. Niemand achtet groß auf diese Jungs, und die einzigen, denen der Schwindel aufgefallen wäre, waren schon weg.«
Der Sheriff griff zu meinem Telefon und tippte eine Nummer ein.
»Kommen Sie mal kurz runter in Daves Büro«, sagte er. Nachdem er aufgelegt hatte, stützte er den Ellbogen auf den Schreibtisch und drückte den Daumen an die Stirn. »Bei so was werd ich stinksauer. Was soll aus diesem Land bloß werden?«
Wally öffnete die Tür zu meinem Büro. Er war groß und fett, hatte ein rotes Gesicht, zu hohen Blutdruck, und die Brusttasche seines Hemds steckte immer voller Zigarren, die in Cellophan gewickelt waren.
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