Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

ich.
    »Wie denn?«
    »Manchmal muß man sie dazu bringen, daß sie sich innerlich winden.«
    »Dave?«
    Ich trug den Sack mit den Lebensmitteln ins Haus, wickelte dann meine 45er und die Neunmillimeter-Beretta in ein Handtuch, holte eine Tube Brandsalbe aus dem Medizinschrank und ging hinunter zum Bootsanleger. Patsy, dessen blasses Gesicht in der Hitze schweißnaß glänzte, hatte die Ellbogen breit auf den Tisch gestützt. Es war Ebbe, und der Bayou lag still und unbewegt da. Patsy kaute auf seinem Daumennagel herum und starrte mich an.
    »Schmieren Sie das ZeUg hier auf die Mückenstiche«, sagte ich.
    Er überraschte mich. Er drückte sich die weiße Creme in beide Hände und verrieb sie über Unterarme, Gesicht und Nacken, reckte das runde Kinn in die Luft.
    Ich legte das Handtuch auf den Tisch und schlug es auf. Er schaute auf die Pistolen und blickte dann zu mir.
    »Was denn? Wolln Sie etwa saubere Wummen vertickern?« sagte er.
    Ich zog die Magazine aus beiden Waffen heraus, damit er sah, daß sie bis oben geladen waren, schob sie wieder hinein, lud durch, sicherte sie und legte sie beide Griff an Griff mitten auf die Tischplatte. Dann setzte ich mich, während meine Augen vom Salz brannten, gegenüber von ihm hin. Oben, im Lichtschein auf der Veranda, sah ich Bootsie.
    »Wenn Sie das, was ich Ihnen angetan habe, mit mir regeln wollen – jetzt ist die Gelegenheit dazu«, sagte ich. »Ansonsten können Sie mir den Buckel runterrutschen.«
    Er lächelte mich an, schob sich eine neue Zigarette in den Mund und zerknüllte die leere Schachtel. »Ich hab immer gehört, daß Sie ein Schluckspecht wärn. Aber das is nicht der Haken bei Ihnen. Sie sind einfach bloß brunzblöd«, sagte er.
    »Aha?«
    »Wenn ich jemand totmachen will, brauch ich gar nicht erst aufzustehn. Komm mir bloß nicht auf die krumme, du Wurmhändler. Sag Johnny und den Militärpfeifen, die um ihn rum sin, daß sie mich beteiligen solin, sonst können sie sich von der Wand abkratzen.«
    Er stand auf, ging federnden Schrittes zu seinem Auto, hob kurz die Arme und schnüffelte an seinen Achseln.
    Manchmal winden sie sich eben doch nicht.

20
    Selbst im Traum ist mir klar, daß ich eine sogenannte Weltzerstörungsphantasie erlebe, wie es mir ein Psychologe einmal erklärt hat. Doch die Erkenntnis, daß es sich um einen Traum handelt, nützt mir nichts. Ich kann mich nicht daraus befreien
.
    Als Kind sah ich, wie die Sonne am kobaltblauen Himmel schwarz wurde und für immer hinter dem Rand der Welt versank. Viele Jahre später veränderten sich die Bilder, und ich durchlebte noch einmal die kurze Zeitspanne, in der ich mich als Geokolonialist betätigt hatte, sah Victor Charlie im schwarzen Pyjama durch ein Reisfeld robben, ein französisches Repetiergewehr quer über den Rücken geschnallt. Oder zwei GIs, die im Schatten eines Banyanbaumes ihre eiserne Ration essen, nachdem sie aus purer Bosheit mit dem Maschinengewehr den Wasserbüffel eines Bauern niedergemäht haben. Oder drei unserer Verwundeten, die von Soldaten der nordvietnamesischen Armee gehäutet und wie Fleischstücke in die Bäume gehängt worden waren
.
    In dieser Nacht kann ich im Traum aus großer Höhe die Küste von Louisiana erkennen, sehe das Schwemmland, das frisch und ursprünglich ist, so wie es einst gewesen sein muß, nachdem Jehova das Sternbild des Schützen am Himmel erschuf und das Wasser vom Festland schied, sehe die Flüsse, die Bayous und die Marschen wie eine glänzende Folie im Mondschein schimmern. Doch der Anblick ist nicht von Bestand, denn jetzt erkenne ich, daß es sich bei dem kalten Mondlicht in Wirklichkeit um die Feuer der chemischen Fabriken und Raffinerien entlang des Mississippi handelt, daß die spiegelnde Folie, wie sie einst ein verstorbener Jesuitendichter bezeichnet hat, nichts anderes ist als die quecksilberhaltigen Abwässer der Industrie, die systematisch in den Kreislauf der Erde eingeleitet werden. Die Fährwege und Gräben sind mit Abfall übersät, die Kanäle Lagerstätten für Autoreifen, Bierdosen und Vinylsäcke voller Hausmüll, die man kurzerhand von den Pickups geworfen hat. Die Kiemen eines Fisches sind von orangen Pilzen befallen
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    Ich wache auf und sitze allein in der Küche. Ich kann den Donner draußen über dem Golf hören und das Scheppern von Tripods Laufkette an der Wäscheleine. Durch das Fenster dringt der nach Maisfasern und Milch riechende Duft vom frischgemähten Rasen meines Nachbarn. Ich setze mich auf die Treppe