Im Dunkeln der Tod
es sich um ein unbekanntes, vielleicht vergessenes Werk eines großen Künstlers handelte, das Millionen von Kronen wert sein konnte, oder um die wertlose Kopie irgendeines Epigonen.
Erik Mattson arbeitete seit fünfzehn Jahren bei Bukowskis als Assistent der Sachverständigen für moderne Malerei und Skulptur und hatte sich zum fähigsten Kunsttaxator des Hauses entwickelt. Dass er trotzdem weiterhin nur Assistent war, hatte seine Gründe.
Das Zeitungspapier raschelte, das Klebeband ließ sich nicht so einfach entfernen.
»Woher haben Sie das Bild?«, fragte Erik, um die Nervosität des Kunden zu mildern.
»Es hat immer im Sommerhaus meines Vaters auf den Schären gehangen, und als er das Haus jetzt verkauft hat, konnten wir Kinder uns nehmen, was wir haben wollten. Dieses Bild hat mir immer gefallen, aber ich hatte nicht gedacht, dass es wertvoll sein könnte.«
Er schaute Erik mit Hoffnung und Besorgnis im Blick an.
»Ein Nachbar hat es an der Wand gesehen und fand es so gut gelungen, dass ich es taxieren lassen sollte. Eigentlich glaube ich natürlich nicht, dass es etwas wert ist«, sagte er verlegen. »Aber der Versuch kann doch wohl nichts schaden.«
»Natürlich nicht, dafür sind wir ja da.«
Erik lächelte den Mann, der sich ein wenig zu entspannen schien, aufmunternd an.
»Woher hatte Ihr Vater das Bild?«
»Meine Großeltern haben es irgendwann in den Vierzigerjahren auf einer Auktion gekauft. Seither hat es im Ferienhaus gehangen. Das Haus steht auf Svartsö, wissen Sie, so eine alte große Kaufmannsvilla, und sie wollten gern Schärenmotive an der Wand haben. Ja, so war das eben.«
Jetzt war nur noch die letzte Papierschicht zu lösen.
Erik drehte das Bild um und keuchte auf. Er konnte seine Überraschung nicht verbergen, und der Kunde starrte ihn glücklich an, als Erik eine Lupe hervorzog und sich von der Echtheit des Werkes überzeugte. Keiner sagte etwas, aber die Spannung ließ die Luft im Raum vibrieren.
Erik erkannte den Stil des Malers sofort. Der Künstler hatte das Motiv mehrmals verwendet, auch wenn er nicht sehr viele Bilder gemalt hatte, bisher waren etwa hundert Werke bekannt. Nach einer zermürbenden Scheidung im Jahre 1892, gefolgt von Prozessen, bei denen er das Sorgerecht für seine drei Kinder verloren hatte, hatte er sich der Malerei gewidmet. Sein Zufluchtsort wurde der Stockholmer Schärengürtel. Leuchtturm, Küstenstreifen, die einsamen Gewächse und die trotzige Klippe, die den Elementen standhielt, wurden zu Symbolen des Künstlers selbst, der gegen den damaligen Zeitgeist ankämpfte und sein Recht auf Gedankenfreiheit verteidigte.
Er beobachtete die Natur genau, er hatte das launenhafte Wetterspiel des Stockholmer Schärengürtels in graublauen Nuancen gestaltet. Erik Mattson kannte dieses Motiv von Dalarö bereits. In dem einsamen Leuchtturm, dem menschenleeren Strand unter dem dramatischen Himmel fand der Künstler ein Motiv, das ihm in jener Zeit wie gerufen gekommen war. Dass er das Bild nicht signiert hatte, war nicht ungewöhnlich. Er betrachtete die Malerei als Zeitvertreib, dem er sich widmete, wenn er eine Schreibblockade hatte.
Trotzdem galt er als einer der größten Künstler aller Zeiten. Erik Mattson veranschlagte das Bild in Gedanken rasch auf zwischen vier und sechs Millionen.
Der Künstler war kein Geringerer als August Strindberg.
ZU BEHAUPTEN, Monika Wallin, die Frau des Opfers, sehe alltäglich aus, wäre kaum übertrieben gewesen. Mit ihren kurzen, aschblonden Haaren in undefinierbarer Frisur, ihren dünnen, farblosen Lippen und ihrer geraden, etwas eckigen Figur war sie auf den ersten Blick ein Mensch, der leicht in der Menge verschwand. Sie öffnete die Tür des Reihenhauses im Snäckgårdsväg, nachdem Knutas viermal geklingelt hatte.
Sie sah müde und blass aus, und unter ihren Augen waren tiefe Schatten zu erkennen.
Knutas wusste, dass sie sich schon früher begegnet waren, sie hatten jedoch nie miteinander gesprochen. Trotzdem staunte er darüber, dass er sie kaum wiedererkannte. Monika Wallin war kein Mensch, der einen bleibenden Eindruck hinterließ, das stand jedenfalls fest. Knutas stellte sich vor und hielt ihr die Hand hin.
»Mein Beileid.«
Sie nahm die Hand, ohne eine Miene zu verziehen. Ihr Händedruck war überraschend kräftig.
»Kommen Sie herein«, sagte sie und ging vor ihm her ins Haus. Er brauchte nicht viele Schritte in Richtung Diele zu machen, um zu sehen, dass dieses Haus von kunstbegeisterten Menschen
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