Im Dunkeln der Tod
war zu hören. Sie machte noch einen Versuch und drehte eine Runde durch das Haus.
»Nein«, sagte sie dann und seufzte. »Ich erreiche nur den Anrufbeantworter.«
»Na gut«, sagte Knutas. »Danke für Ihre Hilfe. Können Sie mir seine Nummer aufschreiben?«
»Natürlich.«
»Nur noch eine Frage zum Samstag. Wir haben gehört, dass aus der Galerie eine Skulptur verschwunden ist?«
»Ja, das ist eine unerfreuliche Angelegenheit. Einer der Gäste muss sie gestohlen haben.«
Sie wirkt gelassen für eine Frau, deren Mann erst am Tag zuvor auf äußerst scheußliche Weise ermordet aufgefunden worden ist, dachte Knutas. Und der sie außerdem verlassen wollte, ohne ihr vorher auch nur ein Wort darüber zu sagen.
Er fragte sich, wie er reagieren würde, wenn Line auf diese makabere Weise ermordet und aufgehängt worden wäre. Vermutlich würde er jetzt von Beruhigungsmitteln betäubt in der psychiatrischen Klinik in Visby liegen. Ihm schauderte.
»Sie haben zwei Kinder?«, fragte er.
»Ja, Einen Sohn von dreiundzwanzig, er lebt in Stockholm, und eine Tochter von zwanzig. Sie studiert in Umeå Medizin.«
»Und was macht Ihr Sohn?«
»Der arbeitet in einem Kindergarten.«
»Aha.«
»Die Kinder kommen heute noch her.«
»Natürlich«, sagte Knutas. »Entschuldigen Sie, wenn ich persönlich werde, aber wie war Ihre Beziehung zu Ihrem Mann?«
Als ob Monika Wallin mit dieser Frage gerechnet hätte, antwortete sie, ohne zu zögern.
»Ruhig und langweilig. Wir hatten insofern eine funktionierende Ehe, als wir gute Freunde waren, aber im Laufe der Jahre wurde daraus so etwas wie eine geschwisterliche Beziehung. Wir haben die Firma Wallin zusammen geleitet, viel mehr war da nicht mehr.«
»Warum sind Sie zusammen geblieben? Wegen der Kinder kann das doch kaum gewesen sein.«
Knutas hätte sich die Zunge abbeißen mögen. Er musste bei einer frischgebackenen Witwe behutsamer vorgehen. Die Frage war ihm einfach so hinausgerutscht. Monika Wallin schien sie ihm nicht übel zu nehmen.
»Wir dachten wohl beide, dass wir ein gutes Leben hatten. Die Arbeit in der Galerie nahm fast unsere ganze Zeit in Anspruch, er hatte seine Reisen, ich habe mich vor allem um die Buchhaltung gekümmert. Wir lebten nebeneinander, aber unsere Wege kreuzten sich eigentlich nie. Tatsache ist, ich glaube, er hatte eine andere.«
Sie reckte sich ein wenig, und Knutas musste sich eingestehen, dass er sie inzwischen für eine attraktive Frau hielt. Ihre Haare waren bei genauerem Hinsehen nicht mausgrau, sondern von weicher cendré-blonder Tönung, und im Licht des Fensters sah er, dass sie glänzten. Ihre Haut war glatt und rein. Ihre Farblosigkeit war einfach schön.
»Woran haben Sie das gemerkt?«
»Wir hatten kein Eheleben mehr. Früher hatte Egon ziemlich starke Bedürfnisse.«
Sie räusperte sich.
»Andere Anzeichen waren, dass er mir nach seinen Reisen nach Stockholm immer ungewöhnlich froh und zufrieden vorkam, dass er sich noch mehr für sein Aussehen interessierte und dass er noch abends spät vor dem Computer saß. Er behauptete, zu arbeiten, aber ich glaube, dass er mit irgendwem gechattet hat.«
»Sie haben ihm aber keine konkreten Fragen gestellt?«
»Nein, warum hätte ich das tun sollen? Es spielte doch keine Rolle mehr. Unsere Beziehung befand sich auf einem anderen Niveau.«
»Sie haben also keine Ahnung, wer es gewesen sein kann?«
»Nicht die geringste.«
DER MORD AM Kunsthändler Egon Wallin in Visby hatte landesweites Interesse erregt. Pia Lilja hatte als Einzige das Opfer in der Toröffnung in der Stadtmauer fotografiert, und alle Zeitungen im Land wollten das Bild haben. Max Grenfors, der Redaktionschef der Regionalnachrichten, war außer sich vor Begeisterung gewesen, als er am Montagmorgen bei Johan angerufen und sich lobend über die Reportage des Vortags geäußert hatte.
»Souverän! Saugute Arbeit! Und was für Bilder, diese Pia ist einfach unschlagbar!«
»Aber willst du nicht …«
»Doch, doch, ich hab sie schon angerufen und ihr gratuliert«, fiel Grenfors ihm ins Wort, als habe er gewusst, was Johan sagen wollte. »Hast du die Morgenzeitungen gesehen? Ganz Schweden redet jetzt über diesen Mord – alle werden auch heute eure Sachen übernehmen wollen«, er keuchte fast vor Aufregung. »Richtet euch also darauf ein, dass ihr für die Mittags- und auch für die Nachmittagssendungen liefern müsst.«
Ab und zu hatte Johan den Zynismus seines Chefs einfach satt. Pias Bild des Leichnams in der
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