Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
Aber seine große Zeit hatte er von 1943 bis 45.«
»Spuren?«
»Es lief genauso wie bei gewöhnlichen Ermittlungsarbeiten, nur daß es illegal passieren mußte und deshalb sowohl weniger effektiv als auch schwieriger durchzuführen war. Das meiste kam durch Gespräche mit Zeugen oder Leuten, die in der Nähe gewesen waren, heraus. ›Giftratte‹ begnügte sich nämlich nicht nur mit Denunziationen. Er brachte selbst Leute um, und er war ein äußerst gefährlicher Mörder. Ein Naturtalent. Er hinterließ nämlich nie Beweise. Aber einige der Zeugenaussagen … ›Giftratte‹ zu schnappen bekam höchste Priorität, aber wir schafften es nicht, weder damals, noch später. Und wir setzten absolut alles dafür ein. Denunzianten aufzuspüren war wichtig – um sie eventuell eliminieren zu können.«
»Eliminieren?«
»Genau. Du mußt bedenken, daß Krieg war, Veum. Das war keine Jungenspielerei, was wir da trieben; aber ich setzte, was ich nur konnte dafür ein, daß wir sichere Beweise hatten, bevor wir diesen Schritt unternahmen.«
»Aber welche Spuren meintest du denn?«
»Es wurde ziemlich früh klar, daß der Mann, der ›Giftratte‹ war, ein auffälliges Merkmal hatte. Er hinkte, wahrscheinlich auf dem linken Bein. Und er suchte oft Zuflucht in den Gegenden südöstlich von Bergen, sagen wir der Umgebung von OsUlven. Aber viel mehr gab es nicht. Das mit dem Hinken war wichtig. Schon 1942 hatten Leute es bemerkt, und bei fast allen späteren Fällen hatte jemand eine hinkende Person gesehen, soweit überhaupt irgendetwas bemerkt worden war. Er operierte oft, als sei er unsichtbar.«
»Was?«
»Ja. Seine Methode war nämlich: der Unfall. Von all den Menschen, die ›Giftratte‹ unserem Verdacht nach auf dem Gewissen hatte, starben neun von zehn, was man einen natürlichen Tod nennen kann – wenn man Überfahrenwerden, Treppenherunterfallen und sich das Genick brechen, Ertrinken und so weiter, natürlich zu nennen ist. Aber mit der Zeit häuften sich diese Todesfälle, sodaß es auffällig wurde. Im Laufe des Jahres 1943 kamen acht Personen auf diese Weise ums Leben, die alle an zentralen Stellen in der Widerstandsbewegung arbeiteten. Und einer wurde erschossen. 1944 gab es zwölf solcher Todesfälle plus einen, der erschossen wurde. Vor der Befreiung 1945 brachte er noch weitere drei um, zwei durch regelrechte Morde und einen mit Hilfe eines ›Unfalls‹. Insgesamt hielten wir ihn für direkt verantwortlich für den Tod von sechsundzwanzig Widerstandsleuten und durch Denunziation indirekt für noch weitere fünfzig.«
»Und was passierte nach dem Krieg?«
»Wir arbeiteten auf Hochtouren, um ihn aufzustöbern. Nach der Befreiung haben wir ja mehrere Denunziantenbanden gesprengt und mit allen, die wir schnappten, intensive Verhöre durchgeführt. Aber es zeigte sich, daß sich auch auf der anderen Seite keiner darüber im Klaren war, wer ›Giftratte‹ war. Ein deutscher Offizier gestand, daß er ab und zu als Verbindungsmann zwischen einem Denunzianten und der Gestapo fungiert hatte. Die Person hatte gehinkt, hatte aber einen Strumpf über das Gesicht gezogen. Er nahm an, daß es sich um einen Mann gehandelt hatte, um die 1,70 groß und ziemlich kräftig gebaut. Der Mann hatte einen größeren Betrag entgegengenommen, und sie hatten sich auf dem Weg am Svartedik getroffen. Der Hinkende war auf dem Weg stadtauswärts, der Deutsche unterwegs stadteinwärts gewesen. Ein anderes Mal hatte das Treffen auf Sydneshaugen stattgefunden, in einer engen Gasse zum Dragefjell hin. Einmal in Nordnes, ein anderes Mal im Sandbrekkevei oben in Fana. Immer im Dunkeln, immer mit dem Strumpf vor dem Gesicht. Wir schlossen daraus, daß vielleicht nicht einmal die Gestapo seine wirkliche Identität kannte. Hatte sich nur seiner Hilfe bedient. Der deutsche Offizier brachte nämlich die Bezahlung mit, jedesmal nach vollendeter Arbeit. Er muß auf diese Weise wie eine Art Freelancer agiert haben, ein einsamer Wolf.«
»Aber …«
»Verstehst du, was das ganze so unmöglich machte, war erstens, daß niemand ihn jemals gesehen hatte, vielleicht die ausgenommen, die er tötete. Zweitens, daß es keine sicheren Beweise dafür gab, daß diese Unfälle wirklich Morde waren. Es hätten auch Unfälle sein können, wenn es vereinzelte Fälle gewesen wären, die nicht ein Muster ergaben.«
»Aber …«
» Aber « , sagte er verbittert, »ich hatte einen Verdacht. Einen sehr schwerwiegenden Verdacht.«
»Ja und? Erzähl!«
Wieder suchte sein

Weitere Kostenlose Bücher