Im Dunkeln sind alle Wölfe grau
untersuchte die möglichen Verstecke im Wohnzimmer. Nichts!
Ich ging in den Flur, durchsuchte den Schrank, die Regale und eine kleine Kommode. Nichts!
Der letzte Raum war die Küche. Ich öffnete zuerst den Kühlschrank. Dort stand frische Milch, ein Karton mit sechs Eiern, ein paar Tuben Käse und ein Plastikbehälter mit Tomaten. Das war alles. Die Küchenschränke, die Schubladen und die kleine Speisekammer ergaben das gleiche magere Resultat.
Ich blieb am Küchenfenster stehen und starrte auf den Puddefjord hinunter. Draußen bei Laksevåg hatte eine mennigefarbene Bohrinsel zur Überholung festgemacht. Das starke Rot zeichnete sich scharf gegen die Bebauung am Damsgårdsfjell ab, wo die Herbstfarben der Vegetation noch nicht ihren Todesstempel aufgedrückt hatten. Der Himmel über dem Fjell war bleigrau und schwer. Es war einer dieser Augusttage, die von Herbst und Winter und Tod kündeten.
Ich ging langsam zurück ins Wohnzimmer. Ich war ziemlich sicher. Die Pappschachtel, in der Hjalmar Nymark die Zeitungsausschnitte und das ganze übrige Material über den Brand bei Pfau aufbewahrt hatte, war nicht mehr in der Wohnung.
14
Die Haushaltshilfe kam zurück. Die Polizei sei unterwegs, sagte sie. Wir setzten uns beide auf einen Stuhl und blieben auf der äußersten Kante sitzen, ohne etwas zu sagen, wie zwei ferne Verwandte, die sich zum ersten Mal nach vielen Jahren wiedertreffen und nichts zu bereden haben.
Wir hörten sie im Eingang und erhoben uns, bevor sie ins Wohnzimmer kamen. Es waren Hamre, Isachsen und Andersen. Sie grüßten leise, als seien sie schon zum Begräbnis gekommen, und gingen schweigsam ins Schlafzimmer. Als sie wieder herauskamen, waren die Gesichter betrübt. Hamre strich sich bekümmert übers Kinn und sah mich mit leerem Blick an. »Es ist immer traurig«, sagte er.
Niemand protestierte.
Die Haushaltshilfe sagte sofort, daß neue Patienten warteten, sie habe wenig Zeit, und ob sie nicht als erste ihre Aussage machen könne.
»Aussagen?« sagte Hamre und sah mich fragend an.
Ich öffnete den Mund, aber sie kam mir zuvor. »Ja, heißt das denn nicht so?«
Isachsen und Andersen bewegten sich vorsichtig im Raum herum ohne irgendetwas zu berühren. Isachsens bleiche Som
mersprossen verschwanden fast bei der schlechten Beleuchtung. Andersen schnaufte schwer nach dem langen Aufstieg durchs Treppenhaus. Sein dicker Bauch stieß stramm gegen die Anzugjacke, die drauf und dran war, aus den Nähten zu platzen. Isachsen hatte den üblichen säuerlichen Ausdruck im Gesicht und ignorierte mich völlig.
Hamre sah mich immer noch an. »Deutet irgendwas daraufhin, daß der Todesfall verdächtig wäre?«
»Du kennst selbst die Vorgeschichte. Und übrigens. Die Haushaltshilfe hatte den klaren Bescheid bekommen, daß die Tür unverschlossen sein sollte, wenn sie käme. Das war sie nicht. Wir mußten sie aufbrechen.«
»Einen Augenblick mal, Veum. Weshalb bist du hergekommen, gerade heute?«
»Ich bin heute vormittag von Sotra zurückgekommen. Als ich im Krankenhaus anrief, bekam ich zu hören, er sei entlassen worden. Ich ging direkt hierher und traf – äh …«
»Lie. Tora Lie«, sagte die Haushaltshilfe und sah so aus, als wolle sie auch noch die Hand ausstrecken.
»Na gut …«, sagte Hamre. Alle drei Polizisten hörten mir jetzt zu, Isachsen allerdings hatte den Blick aus dem Fenster gerichtet, als ob es ihn eigentlich nicht interessierte, aber an der gespannten Haltung konnte ich sehen, daß er mit dem ganzen Körper lauschte.
»Frau Lie erzählt, sie hätte, als sie kam, einen Mann das Haus verlassen sehen. Einen Mann, der hinkte«, fügte ich mit Nachdruck hinzu.
»Soso«, sagte Hamre ungeduldig. »Aber …«
»Hjalmar Nymark da drinnen – das Kopfkissen liegt auf dem Boden, als hätte jemand es benutzt, um … Ich würde die Todesursache untersuchen lassen. Wenn die auf Erstickungstod lautete, fände ich das äußerst verdächtig.«
Hamre schloß geduldig die Augen, als wolle er sagen, ich solle doch aufhören, ihn über alltägliche Polizeiroutine zu belehren und öffnete sie wieder.
Ich sagte schnell: »Und als ich das letzte Mal hier war, zeigte mir Hjalmar Nymark eine Pappschachtel mit altem Material zu den Ermittlungen um den Brand bei Pfau. Zeitungsausschnitte, Sachdokumente, technische Berichte und so weiter. Und diese Pappschachtel, die kann ich nirgends finden.«
»Hast du dich denn auch gut genug umgesehen?« fragte er säuerlich.
»Hast du überall gesucht? Deine
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